: Ein Hort der Gewaltbereiten
Kader verbotener Organisationen und verurteilte Straftäter tummeln sich in der NPD – Parteichef Voigt setzt auf „Außerparlamentarische Opposition“
aus Nürnberg BERND SIEGLER
„Die NPD ist der Kristallisationspunkt der rechtsextremen Szene“, hat Bayerns Innenminister Günther Beckstein festgestellt. Der Mann, der die Diskussion über wünschenswerte und unerwünschte, sprich nützliche und unnütze Ausländer eröffnet hat, plädiert angesichts der steigenden Zahl rechtsextremer Gewalttaten für Maßnahmen gegen die Nationaldemokratische Partei Deutschland (NPD).
Die Finger schmutzig machen will sich der bayerische Innenminister jedoch nicht. Längst hätte er über den Bundesrat ein Verbotsverfahren initiieren können. „Hier ist die Bundesregierung am Zug“, sagt Beckstein stattdessen, ansonsten bayerischen Alleingängen stets aufgeschlossen. Der starke Mann aus Bayern scheut nicht nur das langwierige Verfahren über das Bundesverfassungsgericht, sondern auch die notwendige inhaltliche Auseinandersetzung mit der NPD: mit ihrer volksverhetzenden und rassistischen Ideologie sowie der Nähe dieser Ideologie zur Tat.
Die NPD, vor ein paar Jahren finanziell und personell am Boden, hat sich, seit 1991 der Auschwitz-Leugner Günter Deckert und 1996 der Diplompolitologe Udo Voigt den Parteivorsitz übernommen hatten, zur führenden Kraft im rechtsextremen Lager gemausert. Gerade Voigt setzte durch, dass die NPD in ihrer Agitation verstärkt auf die „soziale Frage“ setzt. In Zeiten hoher Arbeitslosigkeit fanden die Forderungen der NPD („Arbeitsplätze zuerst für Deutschland“) wachsenden Anklang – vor allem in den neuen Ländern. Mit nationalen Stammtischen, Konzerten und dem Vertrieb von Naziskinmusik gewann die NPD immer mehr junge Mitstreiter hinzu.
Voigt sanierte nicht nur die maroden Parteifinanzen, sondern verjüngte systematisch die Parteispitze. Er holte die beiden Kader der 1992 verbotenen militanten „Nationalistischen Front“ (NF), Steffen Hupka aus Quedlinburg und Jens Pühse aus Freising, sowie führende Köpfe der „Jungen Nationaldemokraten“ (JN) wie Klaus Beier aus Bayern und Holger Apfel aus Hamburg in den Bundesvorstand. Gerade in die JN waren in den letzten zehn Jahren immer mehr Kader der „Wiking Jugend“ (WJ), der „Freiheitlichen Arbeiterpartei Deutschlands“ (FAP) oder der NF nach dem Verbot ihrer Gruppierungen übergewechselt. Angst vor einem Verbot hatte man dabei in der JN nicht. „Solange die NPD nicht verboten wird, kann uns nichts passieren“, frohlockte Klaus Beier.
Schon früh gab NPD-Chef Voigt die Marschroute aus, dass der weitere Erfolg der NPD drei Grundlagen habe: den Kampf um die Parlamente, um die Köpfe und um die Straße. In der Folge stellte die NPD immer wieder ihre Mobilisierungsfähigkeit bei Neonazi-Aufmärschen unter Beweis, der erste Schritt zu einer „Nationalen Außerparlamentarischen Opposition“ über Parteigrenzen hinweg. Wie diese Grenzen überschritten werden, bewies der „Tag des nationalen Widerstands“ im Mai dieses Jahres in der Passauer Nibelungenhalle. Vor rund 4.000 Alt- und Jungnazis durften Ex-FAP-Chef Friedhelm Busse, WJ-Funktionär Sepp Biber, der verurteilte Rechtsterrorist Manfred Roeder und natürlich Christian Worch, der ehemalige Chefideologe der Hamburger „Nationalen Liste“, reden.
Worch sprach in Passau für die so genannten „Freiheitlichen Nationalisten“. Gerade die Verzahnung der NPD mit diesem Neonazi-Zusammenschluss und den bundesweit etwa 150 so genannten freien Kameradschaften lag dem sächsischen NPD-Chef Winfried Petzold am Herzen. „Die Kameradschaften bilden eine wichtige Vorfeldorganisation unserer Partei“ schrieb er in der NPD-Postille Sachsenstimme. Dass die freien Kameradschaften die durch das Parteienprivileg geschützten Strukturen der NPD nutzen, sehen die Verfassungsschützer mit Besorgnis. Für Heinz Fromm, Chef des Bundesamts für Verfassungsschutz in Köln, steht außer Zweifel, dass die NPD mit solchen Kooperationen eine „Nahtstelle zum gewaltbereiten Spektrum“ geworden ist.
Gerade die Nähe der Ideologie zur Gewalttat ist bei der NPD besonders ausgeprägt. So wurde im Juni das NPD-Mitglied Lars Hildebrandt wegen eines Überfalls auf ein Flüchtlingswohnheim im niedersächsischen Kutenholz verurteilt. Bei der Ende Juni von der Polizei ausgehobenen Gruppe „Skinheads Sächsische Schweiz“ (SSS) mischte der Königsteiner Stadtrat Uwe Leichsenring mit. Carsten Szczepanski, Vorstandsmitglied des NPD-Landesverbands Berlin-Brandenburg, war einer der Hauptverantwortlichen für einen brutalen Überfall auf einen Nigerianer in Wendisch Rietz. Der verurteilte Rechtsterrorist Manfred Börn ist jetzt NPD-Unterbezirksvorsitzender von Lüneburg, und Bernd Grett aus Plauen, zunächst Kader der rechtsterroristischen „NS-Kampfgruppe Großdeutschland“, dann Unterführer der 1980 verbotenen Wehrsportgruppe Hoffmann, brachte es zum NPD-Landesvorstandsmitglied in Sachsen.
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