Der Pfarrer, der sich traut

Zivilcourage gegen rechts (1): Jugendpfarrer Christian Weber organisiert offene Gesprächsrunden

Nur noch mit Bitterkeit denkt Christian Weber an diesen Abend im Juli vergangenen Jahres zurück: Alle Planungen, die ganze Vorsicht waren umsonst. Der Jugendpfarrer des brandenburgischen Kirchenkreises Senftenberg-Spremberg hatte zehn israelische Journalisten auf Recherchereise eingeladen, mit rechten Jugendlichen zu diskutieren – in der Kirche des 320-Seelen-Dorfes Greifenhain bei Cottbus. Thema: „Brauner Alltag in Brandenburg“.

Alles lief glatt – doch nach der Gesprächsrunde der Eklat: Drei junge Männer aus der Gegend erklärten den jungen Journalisten, den Holocaust habe es nie gegeben. Den Einwand der Israelis, auch ihre Angehörigen seien in KZ gestorben, quittierten die Rechten mit Grinsen. Die Holocaust-Leugnung hat zwei von ihnen zehnmonatige Bewährungsstrafen eingebracht. Das gehe in Ordnung, meint Weber. „Ihr wolltet doch den Eklat“, hat er den Rechten gesagt.

Er kann mit ihnen reden, denn seit 1995, nach dem Ende seiner Ausbildung zum „Gemeindepädagogen“, traute sich der gebürtige Berliner in Greifenhain Ungeheuerliches: Er organisierte im Lausitz-Dorf mit rechten und linken Jugendlichen gemeinsam Dutzende Gesprächs-, Film- und Vortragsabende, etwa zum Thema Politikverdrossenheit. Ausdrücklich waren stets „Rechte“ und „Linke“ eingeladen. Gemeinsame Partys gab es gar. Dies sollte helfen, Vorurteile abzubauen, Gesprächs- und Denkblockaden aufzuweichen.

Webers Position war dabei stets eindeutig: Rechte Parolen seien ihm schon zu DDR-Zeiten ein Gräuel gewesen, der Antifaschismus eine Selbstverständlichkeit. In der Demokratiebewegung der Wendezeit war er Mitglied der „Initiative für Frieden und Menschenrechte“ und bei einem Treffen von Gerd Bastian und Petra Kelly in der Wohnung des Bürgerrechtlers Gerd Poppe dabei.

Seit dem Eklat vor einem Jahr ist das Gespräch zwischen „Rechten“ und „Linken“ abgebrochen. Die Polarisierung in seinem Dorf (Stimmenanteil der DVU: 13 Prozent) habe zugenommen, erzählt Weber – er hat damit kein Problem. „Eine angepasste, gut bürgerliche Kirche, die keine kritischen Fragen stellt“, wollte er nie haben. Schließlich sei das Evangelium radikal. Den Vorwurf von Linken, er kümmere sich zu viel um Rechte, weist er zurück: Man müsse sie mit anderen Meinungen konfrontieren. Grundfalsch dagegen seien „Rechte-Treffen mit Staatsknete“ – etwa wenn manche Sozialarbeiter es duldeten, dass Rechtsradikale Jugendclubs zu ihren Stützpunkten ausbauten. Denn zumindest eines sei bei älteren Rechten klar: „Bei ihnen ist der Zug abgefahren.“

PHILIPP GESSLER