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DÄNISCHE TABAKINDUSTRIE VERÖFFENTLICHTE ERSTAUNLICHE ZUSATZSTOFFETabak mit Kakao – lecker

Kakao. Mit Honig. Lecker. Dann noch Ahornsirup, Zucker und getrocknete Früchte – klingt fast wie Müsli. Ein neues Gesundheitsrezept? Nein. Es sind die Zutaten für den dänischen Glimmstengel. Dänemarks Tabakindustrie musste, von der Regierung gezwungen, eine Liste von 37 Stoffen veröffentlichen, die den Zigaretten zugesetzt werden.

Mit Geschmack hat die erstaunliche Rezeptur nichts zu tun. Beispiel Kakao: Die ehrenwerten Bohnen werden erst zu brauner Soße misshandelt und dann bis zur Ungenießbarkeit verbrannt. Der Kakao soll die Luftwege ausweiten. Dies erleichtert die Nikotinaufnahme. Auch Zucker ist im Tabak alles andere als süß: Bei der Verbrennung entsteht Acetaldehyd, das wiederum eine chemische Reaktion mit Nikotin eingeht, damit das zentrale Nervensystem noch besser bedröhnt wird.

Weitere ungeahnte Zusatzstoffe: Leim, Gummi, Amoniak, Essigsäure. Oder die mit den schönen langen lateinischen Namen: Ammoniumhydroxid, Diammoniumhydrogenphosphat. Welche Wirkungen sie im Raucher entfalten – dazu werden uns die WissenschaftlerInnen der Tabakindustrie und der Antirauchlobby demnächst ganz sicher völlig entgegengesetzte Informationen liefern.

Aber glaubt wirklich jemand, die Tabakindustrie würde das Chemiegemisch ihren Zigaretten zusetzen, wenn es nicht dazu dienen sollte, eine lang währende Beziehung zwischen RaucherIn und Tabakmulti zu begründen? Bis dass der Tod sie scheidet. Was bleibt nun euch RaucherInnen? Back to the roots? Ein Streifen taz-Papier zusammen mit kleingehackten Tabakblättern aus eigenem Anbau – das Ganze kunstvoll gerollt? Aber die Folgen! Milliarden an Tabaksteuern, die dem Staatshaushalt fehlen. Gewaltige Löcher in den Anzeigenbudgets der Illustrierten. Langweilig leere Litfaßsäulen.

Erste Reaktionen zeigten sich in Dänemark, nachdem die Liste nur wenige Stunden auf dem Markt war: Es wurden Klagen nach US-Muster angekündigt. Und tatsächlich könnte sich die Liste der Zusatzstoffe in künftigen Prozessen gegen die Tabakbranche als zentral erweisen. Wenn sich nämlich damit beweisen ließe, dass mit dem Einsatz des Chemiebaukastens ganz bewusst das Gesundheitsrisiko für RaucherInnen erhöht wurde.

Allerdings: Diese Klagen werden wohl nur rückwirkend für die Vergangenheit möglich sein – bevor jetzt die dänischen Behörden die Warntexte auf den Zigarettenpackungen erzwangen. Denn die könnten eine Art Freibrief für weitere unverständliche Zusätze auf Latein sein. Oder will jemand der Tabakbranche als Einziger verbieten, ihr Produkt weiterzuentwickeln und zu „veredeln“? Ein reines Naturprodukt zu verkaufen, behauptet sie ja nun wirklich nicht. REINHARD WOLFF

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