: Der Antifa-Pragmatiker
Zivilcourage gegen rechts (4): Matthias Gärtner, Antifaschist ohne ideologische Berührungsängste
Sein Aha-Erlebnis hatte er Mitte 1989, bei den Spielen des Hallenser FC Chemie. Reichskriegsfahnen, rasierte Schädel und Sprüche wie „Judensau“ waren plötzlich im Stadion des DDR-Oberligisten keine Seltenheit mehr. Matthias Gärtner, damals jugendlicher Fußball-Fan, heute mit 28 Jahren stellvertretender PDS-Fraktionsvorsitzender im Magdeburger Landtag, wollte dabei nicht zusehen. Als wenig später Brandflaschen in Ausländerwohnheime flogen, organisierte Gärtner Demonstrationen in seiner Heimatstadt Wittenberg. Schon damals mit unkonventionellen Methoden: Der Hausbesetzer suchte sich ausgerechnet den damaligen Kreisvorsitzenden der Jungen Union als Partner. „Wir waren in vielen Fragen verschiedener Ansicht“, erklärt Gärtner, „aber wir wollten beide etwas gegen den Rechtsradikalismus unternehmen.“
Dieser Pragmatismus, der beiden Beteiligten Ärger im eigenen Lager einbrachte, ist dem Studenten der Politikwissenschaften erhalten geblieben. Notgedrungen. Denn in Wittenberg waren Bündnispartner selten. Als Gärtner und seine Freunde nach mehreren Attacken der „Kameradschaft Wittenberg“ vor der braunen Gefahr warnten, gab ihnen die Polizei den Rat: „Redet nicht drüber!“ Seinem besten Freund traten Rechtsradikale 1997 bei einer Prügelei ein halbes Ohr ab. Er selbst entkam nur durch Zufall einem Überfall.
Von einem Erfolg seiner Tätigkeit will Gärtner nicht sprechen. Ein kleiner Etappensieg sei das Programm zur Stärkung der Demokratie gewesen, das die PDS-tolerierte Landesregierung mit 1,7 Millionen Mark finanzierte. „Wer keine rechte Kultur haben will, muss eine linke Kultur fördern“, sagt Gärtner. Letztere vermisst er nicht zuletzt in seiner eigenen Partei. „Die proklamierte Toleranz der antifaschistischen Partei wird auch von PDS-Mitgliedern allzu oft nicht im täglichen Leben umgesetzt.“
Für Gärtner, der seit Jahren von Demonstration zu Demonstration rennt und Initiativen an der Basis unterstützt, ist der Antifaschismus längst mehr als ein Pflichtprogramm geworden. Letztens, in Düsseldorf, als 2.000 Menschen gegen rechts demonstrierten, habe er sich richtig wohl gefühlt, sagt er glaubhaft. Von der gegenwärtigen Debatte hält Gärtner wenig, so lange der Begriff „Antifaschismus“ im Verfassungsschutzbericht auftaucht. Entscheidend seien Initiativen vor Ort. Die Bundesregierung müsse zeigen, was ihr der Widerstand gegen rechts wert sei. Aber vielleicht, fügt er zögernd hinzu, „trägt die Diskussion ein bisschen dazu bei, dass Faschismus nicht als Meinung betrachtet wird, sondern als Verbrechen“. ANDREAS SPANNBAUER
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