: Willkommen im Verbietclub
DAS SCHLAGLOCHvon FRIEDRICH KÜPPERSBUSCH
„Der Staat kann weder ein Zuchtverbot für Rechtsradikale verhängen noch besonders aggressive Exemplare einschläfern lassen.“ Bundesinnenminister Otto Schily im Spiegel , 7. 8. 2000
Vielleicht kann er „bei Fuß“ rufen. Immerhin geht’s hier ja um die Nachgeburt jener Bewegung, die die Geste unbedingter Bereitschaft zum Pfötchengeben respektive das schöne Händchen zum obligaten Gruß erhob. Mal ehrlich: Die öffentliche Rede ist von den Hackfressengeschwadern, die unausgesprochen das Recht auf Dummheit beanspruchen und anzugöttern begehren. Wesentliche Ziele einer nationalistischen deutschen Politik sind nämlich offensichtlich längst erfüllt. Gemessen an Einwohnerzahl und jüngerer Geschichte ließe sich eine dominantere Rolle Deutschlands in der Welt kaum vorstellen. Joseph, bei Klumpfuß! Brav. Und nun gib aus: „Führer sieht ganz klar: Vereinigte Staaten von Europa unter deutscher Führung. Das wäre die Lösung. Viele Jahre oder Jahrzehnte noch daran zu arbeiten. Aber ein Ziel!“ Schrieb Joseph Goebbels nach dem Abendbrot bei Hitler ins Tagebuch, am 9. 6. 1936. Ja, was denn noch, Jungs? Schröders Haartönung gegen `ne blonde tauschen?
Der offenbare Anlass der leidigen Diskussion ist leider symptomatisch: „Die Bombe von Düsseldorf wurde als neue Qualität der Gewalt empfunden. Jetzt suchen Politiker und Polizisten nach wirksamen Rezepten gegen braunen Terror.“ Untertitelt der Spiegel seine Aufmachergeschichte diese Woche. Ein gutes unter den gesuchten Rezepten wäre, bei seriösen journalistischen und politischen Gebräuchen zu bleiben. Also dem kriminalpolizeilichen Erkenntnisstand Rechnung zu tragen, dass es keine heiße Spur in die genannte Richtung gibt. So ähnlich war das damals beim Reichstagsbrand, und nur dank willfähriger Presse konnte Hitler trotzdem sein Ermächtigungsgesetz damit erzwingen. 1996 scharten sich Zehntausende zum Protestmarsch gegen Nazigewalt an einem Mädchen, dem ein Hakenkreuz in die Wange geritzt worden war. Bis sich herausstellte, dass sie sich in pubertärer Abirrung selbst verstümmelt hatte. Soll die Düsseldorfer Kripo erstmal die richtigen, nicht die passenden Täter finden. Es ist dann durchaus schlimm genug und aller Gegenmaßnahmen wert, wenn die richtigen sich als die passenden erweisen. Wer hingegen sich gern blamieren möchte, der brülle schon mal los.
Zugegeben: Es ist ein dekadentes Empfinden, wenn sich gegen die staatlich erwünschte Gut-Mit-und-überhaupt-Menschlichkeit nun leichtes Missbehagen kräuselt. „Gewicht zeigen“ mit den Wildecker Herzbuben? Zlatko verweigert Regierungssprecher Heye noch das Mittun, bekennt sich aber auf dem Bild-Titel gestern zum „Leben in Deutschland“. Chefredakteur Udo Röbel informiert in einem Kommentar, dass 30 Jahre nach „Enteignet Springer!“-Chören von links dem Blatt nun Anschläge von rechts ebenso angedroht worden seien. Und ebenso entschlossen ignoriert würden. Willkommen im Verbietclub. Vielleicht ist es ein zumutbares Opfer, in echt peinlicher Gesellschaft die Lichterkettenpanzer rollen zu lassen. Aber schwer fällt es schon. Zlatko himself ist in Deutschland geboren, besitzt die nämliche Staatsbürgerschaft wie, ja, ein Heinrich Lummer.
Es mag an der Zeit sein, auszutesten, ob sich „oben“ und „unten“, politische Hirsche und spießbürgerliche Böcke, nun zum großen kommunizierenden Röhren auf der Lichtung einfinden. So unbeholfen und selbst beweihräuchernd das anmuten mag, steckt in einem solidarischen, gesamtgesellschaftlichen „Nein!“ zwar ’ne Menge talkshowkompatibler Wichtigschleim. Aber es wäre auch Ausdruck des weit mehrheitsfähigen Wunsches nach einer dementsprechenden Haltung, die sich bis auf korrektes Benehmen gegen den kleinen Rassismus nebenan rauf- und runterbrechen ließe. Und auf diese Haltung, nichts sonst, kommt es an.
Also weg mit allem, das den Verdacht befüttern könnte, hier werde ein lecker linksgewirktes Sommertheater durchgezogen. Die Green Card, die zwischen Geburt oder Blut weniger unterscheidet als zwischen doof und schlau, ist eben deshalb problematisch. Sie ignoriert der Dumpfbatzen Liebstes, eben ihr Recht darauf, im Schädel genauso wenig zu tragen wie drauf. Wer die Green Card durchfechten wollte, indem er alle ihre Kritiker als NPDler diskriminiert, schadet ihr. Geburts- durch Intelligenzrassismus zu ersetzen ist keine heiligenswerte Tat.
Weg auch mit der staunenswert ästhetisierenden Debatte um Nazi-Durchmärsche an symbolischen Orten wie dem Brandenburger Tor. Die sind woanders auch nicht so lustig. Stünde Unter den Linden die große Showbühne der deutschen TV-Comedians, hagelte es dumme türkische Chauffeure, ungefickte Frustlesben und polnische Autodiebe. Mir schwant der beklemmende Anblick der versammelten Erstunterzeichner in der ersten Reihe, sich köstlich amüsierend. Das wird schwer, auch dem Behinderten, dem Ausländer, dem sonstwie Minderheitlichen sein Recht, verarscht zu werden, weiter zu gewähren. Wie klingt ein Harald-Schmidt-Witz, wenn ihn eine Glatze erzählt? Und – diskreditiert es diesen oder jenen?
Schluss auch mit der unsäglichen rhetorischen Kinkelei, bei jedem rechten Mumpf zu fragen, „wie das wohl im Ausland wirke“. Wie wirkt`s denn im Inland? Schilys entschlossene Farblosigkeit im Spiegel-Gespräch, wie er jeden engagierten Anwurf ins Nirwana differenziert und schließlich beharrt, woanders sei es so viel besser auch nicht bestellt: Das ist Fortschritt in seinem ganzen Schneckentum. „Jetzt sind Macher gefragt“, ballert der Titel der Themenstrecke. Das ist von der Denke her bedeutend näher am überwindenswerten Autoritätsglauben als Schilys an Heiterkeit grenzende Kampfansage: „Wir haben die Bundeszentrale für politische Bildung umorganisiert . . .“ – „Die Bundeszentrale als Speerspitze im Kampf gegen Rechtsextreme und Ausländerfeinde – meinen Sie das ernst?“, ballern die Frager mutig dazwischen. Kampf. Speerspitze. Ernst meinen. Einfach immer wieder durchlesen und dann sachte auf die Frage zu meditieren, welches Blatt noch gleich vor ein paar Jahren diesen legendären „Das Boot ist voll“-Titel verbrochen hat.
Ähnlich beeindruckend fügt sich das CSU-Engagement fürs NPD-Verbot in die deutsche Klassik ein: „Herr, die Not ist groß, die ich rief, die Geister, werd ich nun nicht los.“ Ahnvater Strauß mobilisierte bis rechts außen und sammelte sie aber alle ein bei der nächsten Wahl. Enkel Stoiber bekennt, dass er das nicht packt. So what.
Gelassenheit. Das mag feige anmuten und als stille Duldung diskriminiert werden. Nur: Ohne Gelassenheit, ohne stille Besonnenheit darauf, dass die nötige Haltung tief zu sein hat statt laut, ist der ganze Rummel nichts, gar nichts wert. Sag deinen Kindern, was du am allerschlimmsten findest, und sie probieren es aus. Dann kommt es darauf an, dass du trotzdem bei deiner Haltung bleiben kannst, dass sie dazu taugt. Lange. Übrigens kann auch eine grün mitbestimmte Bundesregierung hier nicht mal schnell den Macher machen, humanitäre Truppen ins Inland schicken und rummsbummschluss. So schnell, wie man diese Tür aufbekommen hat, kriegt man sie nicht wieder zu.
Hinweise:Vielleicht ist es zumutbar, in echt peinlicher Gesellschaft den Lichterkettenpanzer rollen zu lassenSchluss mit der unsäglichen rhetorischen Kinkelei: „Wie wirkt es im Ausland?“ Wie wirkt`s denn im Inland?!Autorenhinweis:Friedrich Küppersbusch ist Publizist und TV-Produzent
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen