: Menschliche Wärme unter Mördern
Hein Gas reagiert gelassen auf ihren Verkauf durch die HEW ■ Von Sven-Michael Veit
Selbst im harten Geschäftsleben bleibt Platz für Gefühle. Es sei ihm „sehr schwer gefallen“, sich von den Hamburger Gaswerken zu trennen und die Mehrheitsbeteiligung von 61,9 Prozent zu verkaufen, bedauert Manfred Timm, Vorstandschef der Hamburgischen Electricitäts-Werke (HEW). Der „Vorgang ist schmerzlich, weil gewachsene Bindungen aufgegeben werden“ müssten zu Gunsten „einer strategischen Entscheidung“.
Denn die HEW planen zusammen mit ihrem schwedischen Großaktionär Vattenfall den Aufstieg zu einem der großen Stromkonzerne Deutschlands; ein Vorhaben, das durch den vorgestern bekannt gegebenen Kauf der Berliner Bewag deutlich an Kontur gewann (ausführliche Berichte Seite 3). Auf diesem Weg ist Hein Gas für die HEW ein Klotz am Bein.
Deren Vorstandsetage in der Amsinckstraße wurde am Mittwoch Nachmittag nur wenige Minuten vor der Presse darüber informiert, dass der künftige Herr im Haus der Energiemulti E.ON sein werde. Überraschend sei das schon gewesen, räumt HeinGas-Geschäftsführer Rolf Günnewig ein. Auf einer Sitzung gestern früh hätten Geschäftsführung, Führungskräfte und Betriebsrat jedoch „sehr gelassen“ reagiert. Das Unternehmen sei „durch Verschlankung rechtzeitig auf den einsetzenden Wettbewerb“ auf dem Energiemarkt vorbereitet worden. Dazu gehörte der Abbau der Beschäftigtenzahl von rund 1800 vor vier Jahren auf zur Zeit etwa 1300: „Die Rationalisierungspotentiale“, glaubt Günnewig, „sind ausgeschöpft.“ Es werde in absehbarer Zeit Gespräche mit dem neuen Mehrheitsaktionär geben, „und dann sehen wir weiter“.
Im Rathaus fiel die Resonanz auf den HEW-Coup gespalten aus. Das Unternehmen müsse eben „mitwachsen im mörderischen Konkurrenzkampf auf dem Markt“, meinte CDU-Wirtschaftspolitiker Karl-Heinz Ehlers. Für die SPD erklärte Umweltpolitikerin Monika Schaal, Hamburg werde von gestärkten HEW profitieren. Als „energiepolitisch rückwärtsgewandt“ kritisierte hingegen Regenbogen-Sprecher Marco Carini das Milliardengeschäft: „Statt aus der Atomenergie auszusteigen, heißt es nun Ausstieg aus der Gasversorgung.“
GAL-Fraktionschefin Antje Möller mokierte sich darüber, dass sie erst aus den Medien davon erfahren habe: „Dieser verwunderliche Stil spricht für das Verhältnis der HEW zu Hamburgs Politikern“, meinte Möller. Ausgenommen SPD-Bürgermeister und HEW-Aufsichtsratschef Ortwin Runde, der sehr wohl vorab informiert gewesen ist, seinem Koalitionspartner gegenüber aber eisern schwieg.
Vielleicht ein Anlass für Rot-Grün, sich auf den Slogan von Hein Gas zu besinnen: „Für mehr menschliche Wärme.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen