Torwart Schröder unter Beschuss

Die SPD-Bundstagsfraktion lehnt eine Verschärfung des Versammlungsrechts am Brandenburger Tor strikt ab. Auch wenn Bundeskanzler Schröder, Innenminister Schily und Innensenator Werthebach das Tor nun gemeinsam befrieden wollen

von UWE RADA

Kaum demonstriert der Bundeskanzler für die Befriedung des Brandenburger Tors, schon verschärft sich der Streit um das Versammlungsrecht. Nachdem sich Gerhard Schröder (SPD) der Forderung von Innenminister Otto Schily (SPD) und Innensenator Eckart Werthebach (CDU) nach einer Verschärfung des Demonstrationsrechts anschloss, meldeten die Bündnisgrünen entschiedenen Widerspruch an. Selbst in seiner eigenen Fraktion stieß Schröder auf Widerstand.

Eine Ausweitung des so genannten befriedeten Bezirks auf das Brandenburger Tor, wie sie von Schröder, Schily und Werthebach gefordert wird, lehnten die Bündnisgrünen aus verfassungsrechtlichen Gründen ab, erklärte der Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele gemeinsam mit dem innenpolitischen Sprecher seiner Fraktion, Cem Özdemir.

Bundeskanzler Schröder hatte in Bild am Sonntag erklärt, dass es bestimmte Bereiche gebe, „in denen man Demonstrationen besser nicht zulässt, wie den Platz vor dem Brandenburger Tor oder das daneben stehende Holocaust-Mahnmal“. Wenn man dort keine Demonstrationen wolle, so Schröder, „sollten wir die Gesetze ändern“.

Innensenator Werthebach zeigte sich gestern erfreut über die überraschende Unterstützung aus dem Kanzleramt. Ein Gesetz zur Verschärfung des Demonstrationsrechts könne es schon im Frühjahr geben, erklärte Werthebach. Der Senat werde zur Innenministerkonferenz im Herbst einen Gesetzesvorschlag unterbreiten, die Bundesregierung könne einen Entwurf dann noch in diesem Jahr in den Bundestag einbringen.

Bereits Mitte Juli hatte Werthebach gemeinsam mit dem CDU-Bundestagsabgeordneten Wolfgang Bosbach Eckpunkte für eine Verschärfung des Demonstrationsrechts vorgelegt. Dabei geht es vor allem um eine Ausweitung des so genannten befriedeten Bezirks auf das Brandenburger Tor, das Holocaust-Mahnmal oder auch die Neue Wache Unter den Linden. In einem solchen „befriedeten Bezirk“, mit dem die rot-grüne Regierung die Bannmeilenregelung abgelöst hat, sind Demonstrationen nur mit Genehmigung des Bundestagspräsidenten oder der Innenbehörden möglich.

Überrascht hat das Kanzlerwort zum Sonntag nicht nur den Berliner Innensenator, sondern auch die SPD-Bundestagsfraktion. „Das war mit den Innenexperten der Fraktion nicht abgestimmt“, sagte der innenpolitische Sprecher der SPD, Dieter Wiefelspütz. Er glaube nicht, dass die Fraktion ihre ablehnende Haltung gegenüber einer Gesetzesverschärfung ändern werde. „Es wäre falsch, wegen einiger Extremisten ein Grundrecht zu verschärfen, das für alle gilt“, erneuerte Wiefelspütz seine Position. Stattdessen plädiere er für eine verstärkte Diskussion um ein Verbot der NPD. Ähnlich hatte sich zuvor auch schon die Vorsitzende des Innenausschusses, Ute Vogt (SPD), geäußert.

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Eckhardt Barthel erklärte gegenüber der taz, er habe weder „das Bedürfnis, das Versammlungsrecht zu ändern, noch mit befriedeten Bezirken zu arbeiten“. Schröders Vorstoß bezeichnete er als Meinung, die im Rahmen der Diskussion um Rechtsextremismus geäußert wurde. Seines Wissens gebe es unter den Innenpolitikern der SPD-Fraktion niemand, der sich dieser Meinung anschließen würde.

Neben der politischen Ablehnung machte der grüne Abgeordnete Ströbele gestern auch verfassungsrechtliche Probleme geltend. „Ein befriedeter Bezirk“ habe die Aufgabe, die Arbeitsfähigkeit des Parlaments zu sichern“, so Ströbele. Eine Ausweitung etwa auf das Brandenburger Tor hätte damit aber nichts zu tun. Ströbele plädierte stattdessen für eine bessere Begründung von Demo-Verboten. Zum Beispiel sollten auch „verschlüsselte Schlachtrufe“ oder „abgewandelte Nazisymbole“ zum Verbot von rechten Demonstrationen führen können.

Das Bundesinnenministerium gab sich gestern diplomatisch zurückhaltend. Zwar habe die Äußerung des Kanzlers gezeigt, dass die Position des Innenministers richtig sei, erklärte Otto Schilys Sprecher Roger Kiel. Wann es einen Entwurf zur Änderung des Demonstrationsrechts geben soll, könne er aber noch nicht sagen. Wegen der verfassungsrechtlichen Probleme müsse zunächst geprüft werden, welche Möglichkeiten der Verschärfung es gebe.