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Entspannte Sexualität am Stutti

„Jenseits von Mitte“, Teil 7: Gründe, nach Charlottenburg zu fahren. Ein Einkaufsbummel durch den alten Kiez der Kommune I.Es gibt Läden für Korkfußböden, scharfe Nudelsuppe und japanische Ersatzteile. Sexbars sorgen für gelassene Erotik

von KIRSTEN KÜPPERS

Über die Gegend rund um die Windscheidstraße wurde einmal geschrieben, dass die Haare der Frauen dort immer grauer würden, ihr Lippenstift dafür immer röter. Der Anteil der angesprochen Vernissagen-Besucherinnen und alternden Freundinnen der Kommune I ist zwar hoch. Doch am Stuttgarter Platz schlendern auch andere. Solche, denen die Nachbarschaft zur Adresse der Kommune weniger bedeuten dürfte.

Den Besuchern der Sexbars zum Beispiel. Das „Stutti Frutti“ bietet Go-go und Table Dance. Das „Mon Chérie“ eine „erotische Badeshow“. Die zahlreichen Etablissements tragen entscheidend zur Durchmischung der Bevölkerung im Viertel bei. Außerdem sorgen sie für ein angenehm entspanntes Verhältnis der Charlottenburger zur Sexualität im Alltag. Wenn der Bürgerinitiativladen inmitten von Oben-ohne- Nachtclubs mit bunten Kinder-Filzstiftunterschriften von „Naomi“, „Madelaine“ und „Jaro“ gegen ein geplantes Shopping-Center am Stuttgarter Platz kämpft, sieht das nicht päderastenmäßig aus, sondern ganz normal. Auch als ein Behinderter an der Ampel fragt: „Wollen wir zusammen ins Bett gehen, wenn du müde bist?“, wirkt das nett. Neben tiefen Dekolletees und Grafitti wie „Man muss für Mädchen alles tun“ macht jedoch vor allem das Einkaufsangebot die Gegend attraktiv.

Schrulliges Westberliner Sortiment trifft hier auf Praktisches aus fernen Ländern. In der Kantstraße verkauft ein Laden seit 1926 Brautschleier und „Parfüms nach Gewicht“. 100 Gramm „Eau de Berlin“ kosten sieben Mark. Es gibt ein Geschäft für Korkfußböden, eines für russische Kochtöpfe und eines für „Deckenflüter“. Nebenbei entsteht eine Hochburg der Asia-Shops. Immer mehr chinesische Imbisse eröffnen neben thailändischen Geschenkboutiquen. Ein Händler hat sich auf japanische Bücher, ein anderer auf Ersatzteile für japanische Wagen spezialisiert. Phan Si, ein Angestellter im „Vietnam Center“, sagt, die wachsende Konkurrenz unter den Asiaten wirke sich bereits negativ auf den Umsatz aus. Phan Si verteibt schöne Bananenblätter, in die man knallbunte Klebreissüßigkeiten verpacken kann.

Marktführer der Brache dürfte noch immer „Asia Foodland“ in der Wilmersdorfer Straße sein. Der Supermarkt ist seit langem der wichtigste Einkaufstreff der asiatischen Community in der Stadt. Man kann dort Bangkok-Pop, Dosen mit eingelegten Wachteleiern und Kastanienlimonade erstehen. In einem Separee bereiten Frauen scharfe Nudelsuppe zu. Die Haarnetze der Köchinnen geben der Hinterzimmerküche einen feierlich-amtlichen Anstrich. Für Unterhaltung sorgen ein Fernsehapparat mit thailändischen Telenovelas und Die Chinesische Allgemeine Zeitung der chinesischen Studenten und Wissenschaftler in Deutschland. Kosmopolitische Flughafenatmosphäre stellt sich beim Blick auf die vier Uhren im Treppenhaus ein: In Tokio ist es Mitternacht, in Bangkok 22, in Berlin 16, in Los Angeles 7 Uhr.

Leider machen andere gute Läden dicht. Das Geschäft für Hexenbedarf in der Kantstraße existiert zum Beispiel nicht mehr. Dort gab es neben schwarzen Nylonstrumpfhosen auch „Komm zurück“-Tropfen.

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