piwik no script img

Mord mit „sicherer Motorik“

Nach der Bundesanwaltschaft plädieren auch die Verteidiger der drei Neonazis im Mordprozess Adriano für mehrjährige Haftstrafen. Psychiater: Keine verminderte Schuldfähigkeit durch Alkohol

von JENS RÜBSAM

Es ist kurz vor elf Uhr am gestrigen Vormittag, als die Angeklagten im Justizzentrum Halle zum letzten Wort anheben. „Es tut uns Leid. Wir wollten das Opfer nicht töten“, stammeln Frank M. und Christian R., beide 16, und Enrico Hilprecht, 24. Was nach Bedauern klingt, werten Prozessbeobachter ganz anders: Keine Spur von Reue hätten die drei jungen Neonazis während der vier Verhandlungstage gezeigt.

Im Gegenteil: Als am Dienstag der Prozess um den Tod des 39-Jährigen Mosambikaners Alberto Adriano beginnt, präsentiert sich Frank M. der Öffentlichkeit mit frisch rasiertem Schädel und im Skinhead-T-Shirt. Christian R. ist sichtlich bemüht, ein nervöses Grinsen zu unterdrücken. Und Enrico Hilprecht gibt frank und frei zu, in jener Nacht des 11. Juni im Stadtpark zu Dessau (Sachsen-Anhalt) gezielt gegen den Kopf von Alberto Adriano getreten zu haben. Der Mosambikaner liegt zu diesem Zeitpunkt bereits hilflos am Boden.

Mit der Anhörung des psychiatrischen Sachverständigen und den Plädoyers der Verteidiger endete gestern die Verhandlung. Professor Maneros von der Uni Halle stellte klar: „Eine verminderte Schuldfähigkeit wegen seelischer Störungen liegt bei den Angeklagten nicht vor.“ Zwar hätten die jungen Männer unter Alkoholeinfluss (zwei Promille) gestanden, doch eine verminderte Steuerungsfähigkeit könne daraus nicht abgeleitet werden.

Dass die drei Neonazis Adriano vorsätzlich ins Koma geprügelt haben – drei Tage später erlag er seinen Verletzungen –, machen Aussagen des Arztes wahrscheinlich, der den Tätern nach der Festnahme Blutproben entnahm. Trotz leichter Alkoholisierung hätten sie eine „sichere Motorik“ und „keine Ausfallerscheinungen“ gezeigt.

Bereits am Donnerstag hatte die Bundesanwaltschaft die Höchststrafen für die drei Skinheads gefordert: zehn Jahre Haft für die beiden 16-Jährigen, lebenslänglich für den 24-Jährigen. Gestern beantragten auch die Verteidiger mehrjährige Haftstrafen: Für Frank M. wegen schwerer Körperverletzung mit Todesfolge eine siebenjährige Jugendstrafe, für Christian R. wegen des gleichen Vorwurfs eine Jugendstrafe um die sieben Jahre. Die Verteidigerin von Enrico Hilprecht plädierte auf Totschlag und stellte eine Verurteilung in das Ermessen des Gerichts.

Das Urteil wird für kommenden Mittwoch erwartet.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen