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Ausschuss sucht noch immer nach der Wahrheit

Alle haben sie schon ausgesagt: Kohl, Schäuble, Baumeister. Doch viele Fragen bleiben offen, solange der Exkanzler weiter schweigt

BERLIN taz ■ Als der Untersuchungsausschuss in die Sommerpause ging, hinterließ er mehr offene Fragen als klare Antworten: Noch immer verschweigt Kohl hartnäckig, wer die anonymen Spender waren. Und wer nahm nun wirklich die 100.000 Mark von Karlheinz Schreiber entgegen: Wolfgang Schäuble oder Brigitte Baumeister? Und woher kamen die 6 Millionen Mark, die seit 1982 auf Unions-Konten flossen?

Der Ausschuss nahm seine Arbeit am 16. Dezember letzten Jahres auf: Genau an dem Tag, als Kohl zugab, er habe zwischen 1993 und 1998 Spenden bis zu 2 Millionen Mark angenommen. In bar und illegal, ohne es in den Rechnungsbüchern vermerkt zu haben. Nur – wer ihm diese Gelder gegeben hat, dazu schweigt er. Beharrlich. Bis heute.

Dabei waren sie alle voller Erwartungen, die Aufklärer und die Öffentlichkeit, als der Exkanzler am 28. und 29. Juni und am 6. Juli vor den Ausschuss trat. Doch Kohl berief sich auf sein Aussageverweigerungsrecht und lehnte es ab, die Spendernamen zu nennen. Er gab aber zu, dass der Kreis der Spender klein gewesen sei und er das Geld in Kuverts erhalten habe: „Bei den anonymen Spendern gibt es nur eine direkte Linie zwischen den Spendern und mir.“

Die Auftritte des Parteivorsitzenden zeigen vor allem eins: wie intakt das System Kohl immer noch ist. Ganz selbstverständlich ließ er sich vom CDU-Obmann Andreas Schmidt und anderen Mitgliedern des Untersuchungsausschusses über die Ausschussarbeit informieren. Bevor wichtige Zeugen vernommen wurden, suchten sie den Exkanzler in seinem Büro auf. Das legt den Verdacht nahe, dass Strategien für den Ausschuss vorab besprochen wurden – auch wenn Kohl abstreitet, Geheimes erfahren zu haben. Entgegen den Forderungen von SPD und Grünen lehnte es die CDU ab, Schmidt aus dem Ausschuss zurückzuziehen. Unterdessen stilisierte Kohl sich zum Opfer, deutete die Kritik an seinem hartnäckigen Schweigen um. Er glaubt an eine gezielte Diffamierung seiner sechzehnjährigen Kanzlerschaft, eine Herabwürdigung seiner historischen Leistung. Während Kohl sich derart die Rückendeckung seiner Partei sicherte, geriet Schäuble in Erklärungsnot: weil er verschwiegen hatte, dass er Schreiber noch ein weiteres Mal 1995 getroffen hatte; und weil Brigitte Baumeister, die ehemalige CDU-Schatzmeisterin, den Ablauf der Spendenübergabe anders schildert als er. Denn auf einmal gab es zwei mögliche Adressaten für das Kuvert, in dem der Waffenhändler Karlheinz Schreiber 1994 100.000 Mark an die Union übergab. Brigitte Baumeister sagte aus, Schreiber habe ihr die Spende am 11. Oktober 1994 in Kaufering übergeben. Fünf Tage später habe sie das Geld an Schäuble weitergegeben. Für diese Version kann sie Zeugen bennen: Schreibers Ehefrau, seine Sekretärin Sieglinde Knaupp, Baumeisters Fahrer und ihr engster Mitarbeiter bestätigen das Treffen, wissen aber nicht, ob dabei tatsächlich der berüchtigte Umschlag übergeben wurde.

Schäuble hingegen sieht sich durch eine Intrige verleumdet. Schließlich weiß er einen anderen Ablauf der Geldschieberei zu berichten: Bereits am 22. September 1994 habe Schreiber ihm persönlich den Umschlag übergeben. Noch am selben Tage habe er die 100.000 Mark an Brigitte Baumeister weitergegeben.

Der Ausschuss, der gestern zum 35. Mal zusammentrat, wird wohl weiter tagen, Zeugen befragen, Skandale durchleuchten. Er darf das noch bis zum Ende der Wahlperiode – also bis 2002. „Und so lange werden wir mit Sicherheit brauchen“, schätzt ein Sprecher des Ausschusses die Lage ein. COSIMA SCHMITT

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