: Ein Sponti als Schutzherr aller Exzellenzen
Auf der ersten deutschen Botschafterkonferenz stellt sich Joschka Fischer zwischen seine Diplomaten und den Kanzler
BERLIN taz ■ Der Kanzler hatte kaum wieder Platz genommen, da schenkte ihm Joschka Fischer vom Rednerpult herab sein mildestes Lächeln. Gerne wollten er und seine Botschafter das Bild eines offenen Deutschland in die Welt tragen, wie Schröder es sich gewünscht hatte, aber „bei den Kürzungen sind wir am Ende der Fahnenstange“. Für keinen Satz spendeten die versammelten 200 Exzellenzen auf der ersten Botschafterkonferenz seit Bismarcks Zeiten mehr Beifall.
Der Schrecken über die Schließung von 19 Auslandsvertretungen im letzten Jahr sitzt den Missionschefs noch im Nacken. Nun mussten sie zuhören, wie der Bundeskanzler seinen Sparkurs quasi zur Staatsräson erhob: Erst durch die Haushaltskürzungen der Bundesregierung werde Deutschland „zukunftsfähig“. Fischer, vom Applaus angestachelt, legte noch zweimal nach, obwohl der Kanzler ihm zurief, die Botschaft sei angekommen. So präsentierte sich der Außenminister mit der Sponti-Vergangenheit seinen Topdiplomaten, von denen viele ihn zum ersten Mal live erlebten, als Schutzherr ihrer Interessen.
Den Vertrauensvorschuss seiner Untergebenen braucht Fischer dringend für ein zentrales Anliegen, das er auf der Konferenz angestoßen hat: die Reform des Auswärtigen Dienstes (siehe taz von gestern). „Als Quereinsteiger und als Querkopf“ sei ihm klar geworden, dass das Auswärtige Amt sich „von manchem Zopf trennen muss“, sagte Fischer. Die Umsetzung der Reformen solle „sofort“ beginnen und bis 2002 abgeschlossen sein. Für die versammelten Honoratioren verheißt die Umstellung auch Ungemach, denn Fischer kündigte an, verstärkt jüngere Mitarbeiter in leitende Positionen zu holen – „bei allem Respekt vor der Leistung und Lebenserfahrung älterer Kolleginnen und Kollegen“. Im hausinternen Intranet dürfen bereits jetzt Mitarbeiter aus allen Laufbahnen und unter Umgehung aller Hierarchien ihre Wünsche nach Veränderungen beisteuern – einziges Auswahlkriterium: die Teilnehmer müssen unter 40 sein.
Politisch bot der Konferenzauftakt, bei dem auch Frankreichs Außenminister Hubert Védrine sprach, nur einen neuen Vorschlag: Die umstrittene Aufgabenteilung zwischen der EU und ihren Mitgliedsstaaten soll nach Fischers Vorstellung von einem Konvent bearbeitet werden, wie es ihn bereits für die EU-Grundrechtecharta gibt. Ausgiebig applaudierten die Exzellenzen den starken Worten des Kanzlers gegen Rechtsextremismus sowie dem Protest des Außenministers gegen eine Streichung der Auslandszulagen.
PATRIK SCHWARZ
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