: Ein Jahr Haft als Mindeststrafe
Brandenburg will schnellstens Hate-Crime-Gesetze für Deutschland durchsetzen. Justizministerin Däubler-Gmelin dagegen sieht keine Lücken im deutschen Strafrecht
BERLIN taz ■ Die Diskussion um ein Sonderstrafrecht für so genannte Hate Crimes hat nun auch Deutschland erreicht. Anfang August regte die Berliner Ausländerbeauftragte Barbara John (CDU) an, auch in Deutschland „Hassverbrechen“ besonders hart zu bestrafen. Den Ruf nach einem Strafzuschlag begründete sie damit, dass hier nicht nur ein einzelner Mensch angegriffen werde, sondern ganze „Minderheitengruppen“ eingeschüchtert würden.
Zwei Wochen später kündigte Brandenburgs Justizminister Kurt Schelter (CDU) einen Gesetzentwurf seines Landes an. Für Gewalttaten, die „aus Hass gegen Teile der Bevölkerung“ verübt wurden, soll ein Strafrahmen von einem bis zu zehn Jahren Gefängnis gelten. Auf drei Jahre solle sich die Mindeststrafe erhöhen, wenn die Tat in einer Gruppe begangen wurde oder das Leben des Opfers gefährdete. Den Gesetzentwurf will Brandenburg „möglichst schnell“ in den Bundesrat einbringen.
Würde das Gesetz am Ende im Bundestag beschlossen, so hätte dies zumindest eine Folge: Einschlägige Strafprozesse würden stark symbolisch aufgeladen. Neben der Höhe der Strafe würde das Interesse der Öffentlichkeit vor allem der Frage gelten, ob das Gericht eine Tat als „Hassverbrechen“ einstuft oder nicht.
In umstrittenen Fällen, wenn die Täter rassistische Motive bestreiten, wäre der öffentliche Streit dabei wohl programmiert. Ist es Ausländerhass oder eine normale Vorstadtstreitigkeit, wenn ein Deutscher seinen türkischen Nachbarn verprügelt? Vermutlich wäre es der Integration von Ausländern und anderen diskriminierten Gruppen wenig dienlich, wenn sie vor Gericht stets auf ihre Rolle als Außenseiter festgelegt würden.
Dagegen erlaubt das Strafgesetzbuch bei eindeutigen Hassdelikten – wenn etwa die Tat von ausländerfeindlichen Parolen begleitet war – schon heute die Verhängung höherer Strafen. So machen etwa „niedrige Beweggründe“ den Totschlag zum Mord und führen damit automatisch zu lebenslänglicher Freiheitsstrafe. Für andere Delikte gibt es in Paragraf 46 des Strafgesetzbuchs eine allgemeine „Strafzumessungs“-Regel, wonach auch „die Gesinnung, die aus der Tat spricht“, strafverschärfend zu berücksichtigen ist.
Welche Rolle die Hasskomponente bei der Strafzumessung konkret spielt, entscheidet das jeweilige Strafgericht. Dabei steht den Richtern ein „Strafrahmen“ zur Verfügung, innerhalb dessen das Urteil tatangemessen festzulegen ist. Bei einfacher Körperverletzung reicht dieser Rahmen von der Geldstrafe bis zu 5 Jahren Haft. „Ob ein Urteil wirklich angemessen war“, gibt allerdings Rainer Voss, Vorsitzender des Deutschen Richterbundes, zu bedenken, „kann nur der beurteilen, der die gesamte Verhandlung im Gerichtssaal verfolgt hat.“
Die Schelter-Initiative will nun zumindest die Spielräume der Richter verengen. Körperverletzung aus rassistischen Motiven müsste dann immer mit der Mindeststrafe von einem Jahr Haft geahndet werden. Barbara John möchte sogar ausschließen, dass die Strafe zur Bewährung ausgesetzt werden kann.
Nun haben solche Automatismen ihre Tücken: Eine Rempelei, ein Wegschubsen oder Anspucken – strafrechtlich sind das bereits Gewalttaten. Da hier aber wohl kaum jemand eine einjährige Haftstrafe für angemessen hält, müsste es eine Ausnahmeklausel für „leichte Fälle“ geben.
Im Bereich wirklich schwerer Hassdelikte gibt es schon heute harte Strafen. So wurden die drei Rechtsradikalen, die in Dessau den Mosambikaner Alberto Antonio töteten, zu durchaus spürbaren Strafen verurteilt. Der 24-jährige Enrico H. erhielt „lebenslänglich“, die beiden jugendlichen Mittäter bekamen je 9 Jahre Haft – ein Jahr weniger als die höchstmögliche Jugendstrafe.
Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) reagierte deshalb auch zurückhaltend auf den Vorschlag aus Brandenburg. Man wolle den Gesetzentwurf gern „prüfen“, hieß es. Entsprechende Lücken sehe man im deutschen Strafrecht bisher allerdings nicht. CHRISTIAN RATH
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