NPD-Debatte
: Parteiverbot? Nein!

■ Gastkommentar von Berni Kelb, der selbst vom KPD-Verbot betroffen war

„Eine Partei zu verbieten, treibt sie in den Untergrund. Da ist sie noch gefährlicher, weil nicht kontrollierbar“, meinen heute viele über die NPD. Das ist ebenso falsch und dilettantisch wie die Gegenposition „Verbieten um jeden Preis“.

Mit Verboten gibt es Erfahrungen: 1951 wurde die westdeutsche FDJ (Freie Deutsche Jugend) nach dem Vereinsgesetz verboten. Aber die jungen Kommunisten zogen eine illegale Organisation auf, die über fast unbegrenzte finanzielle Mittel („von drüben“) verfügte. Dennoch erodierte die Organisation kontinuierlich. Als sie (auf Anweisung „von drüben“) 1955 aufgelöst wurde, bestand sie fast nur noch aus Funktionären. Der Große Manitou hatte sich einen Indianerstamm aus lauter Häuptlingen geleistet.

Das erste Parteiverbot durch das Bundesverfassungsgericht (BVG) traf 1952 die rechtsgerichtete Sozialistische Reichspartei (SRP). Es hatte vor allem symbolischen Charakter. Die alten Nazis von ernst zu nehmendem Format waren längst bei der CDU oder FDP untergekrochen. Anders, als dasselbe BVG im August 1956 auf Antrag der Adenauer-Regierung die KPD verbot. Das Gericht tat sich schwer damit, konnte sich aber dem Zeitgeist offenbar nicht widersetzen.

Der KPD erging es dann genauso wie vorher der FDJ: Für den Fall eines Verbots hatte man schon im Vorhinein eine konspirative Parallelorganisation aufgebaut – bis zur letzten Betriebsgruppe und mit eigener Zeitung. Nichts davon hat funktioniert, als es ernst wurde. Trotz nahezu unbegrenzter Mittel brach die Organisation in kurzer Zeit zusammen. Die Mitglieder hatten zwar noch ihren blinden Glauben und guten Willen, aber die bezahlten, illegalen Funktionäre konnten ihnen keine Perspektive aufzeigen. Sie waren in der Situation einer Drückerkolonne, die Ladenhüter verkaufen soll.

Doch das Verbot hatte einen unvorhergesehenen Nebeneffekt: Die kritischen, jungen Geis-ter – von der SPD nach Godesberg 1961 und später erst recht von der großen Koalition enttäuscht – konnte niemand mehr auffangen und einbinden.

Als die APO auf den Plan trat, wurde der Fehler erkannt und korrigiert. Es war ohnehin peinlich, dass in der Bundesrepublik als einzigem westeuropäischen Land keine legale kommunistische Partei existierte. Ein BVG-Urteil kann zwar nicht revidiert, wohl aber ausgetrickst werden. Bundesjustizminister Heinemann wies den Weg: eine Neugründung mit anderem Namen: DKP statt KPD. Alle waren aus dem Schneider. Die Kleine Partei (DKP) hat sich in der Folgezeit von selbst erledigt. Dazu wäre das zwischenzeitliche Verbot gar nicht nötig gewesen.

Zurück zu den Neonazis. Hitler kam an die Macht, weil die Industrie ihn finanziert hat. Sonst hätte er sich totgelaufen. Eine barfüßige SA ergibt keinen Vietcong. Und heute? Kein „Führer“ in Sicht, keine nennenswerten Finanziers. Nur ein paar Psychopathen, wie es sie in jeder Gesellschaft gibt. Man muss ihnen auf die Finger klopfen. Aber verbieten? Rassistische Gewalt ist ohnehin verboten. Man kann sie nicht noch einmal verbieten. Nur verhindern. Und das mit aller Härte des Gesetzes, im konkreten Fall mit persönlichem Mut und Einsatz.

Die NPD verbieten? Nein! Antidemokratischen Parteien und Organisationen kommt man mit innerorganisatorischer Demokratie bei. Deshalb müssen wir ein neues, stringent demokratisches Parteiengesetz schaffen. Das würde alle Probleme lösen. Aber wirkliche innerparteiliche Demokratie wollen aus durchsichtigen Gründen alle nicht. Berni Kelb