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Lotsen gehen an Land

Im Hafen droht der Konflikt zwischen Reedern und Lotsen um die Tarife zu eskalieren. Vorwurf an den Bund: „Gutsherrenart“  ■ Von Peter Ahrens

Das letzte Mal, das sich alle See- und Hafenlotsen der norddeutschen Küste getroffen haben, war 1971. Wenn sie sich nach 29 Jahren jetzt wieder zusammen setzen und dafür einige Stunden die Arbeit niederlegen, dann muss die Lage ernst sein. „Mit uns wird nach Gutsherrenart verfahren“, schimpft der Vorsitzende der Bundeslotsenkammer, Hein Mehrkens, und 650 Lotsen, die aus ganz Deutschland gestern nach Hamburg ins Congress Centrum gekommen sind, nicken dazu mit dem Kopf. Die Forderung von Hafenwirtschaft und Bundesregierung, die Lotstarife drastisch zu drücken, beantworten die Lotsen mit der Drohung, die Bedienung von Schiffen zu verzögern. Der Konflikt spitzt sich zu.

Die Reeder und das Bundesverkehrsministerium drängen Arm in Arm darauf, den freiberuflich arbeitenden Lotsen die Gehälter zu beschneiden und ihre Arbeitszeit zu erhöhen. Die Hafengebühren seien zu teuer, jammert der Reedereiverband VDR, 40 Prozent der Gebühren kämen heute schon den Lotsen zugute. Die Lotsenverbände wollen bei der Kürzung nicht mitmachen, die Verhandlungen stocken seit Monaten. Die Hamburger Wirtschaftsbehörde hält sich zwar offiziell aus dem Konflikt heraus, jedoch hat Wirtschaftssenator Thomas Mirow (SPD) der Hafenwirtschaft seine Unterstützung bereits zugesichert.

Vor allem die Forderung, die Wochenarbeitszeit der Lotsen von jetzt 48 Stunden auf künftig 53 nach oben zu schrauben, ist für Mehrkens ein unmoralisches Angebot. „So etwas hätte die SPD vor ihrer Regierungsübernahme Ausbeutung genannt“, sagt er. In der „Wettbewerbseuphorie, die in Europa herrscht“, gingen tarifliche Belange offenbar den Bach herunter.

Die Handelskammer sieht das ganz anders und vertritt die Reeder-Lobby. „Arbeitsverweigerung“, nennt Kammer-Präsident Nikolaus W. Schües den Umstand, dass den Lotsen die gestrige Versammlung so wichtig war, dass in der Zeit einige Schiffe nicht in den Hafen dirigiert werden konnten. „Die Lotsen nutzen ihre Monopolsituation unverantwortlich aus“, klagt Schües weiter. Eine Aufstocken ihrer Arbeitszeit hält der Kammerpräsident für absolut akzeptabel. Die Lotsen seien in einer „komfortablen Situation“ und gefährdeten durch ihre Haltung „die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Häfen“.

Für Mehrkens sind solche Vorwürfe nichts als Unfug. Sollten Bundesregierung und Reeder mit ihren Forderungen durchkommen, werde man eben auf reinen Schichtdienst umsteigen und Dienst nach Vorschrift machen: Wenn die Schiffe nicht termingerecht im Hafen einlaufen könnten, werde die Hafenwirtschaft schon merken, was sie an dem bisherigen System habe. Kurt Steuer, der Vorsitzende des Bundesverbandes der See- und Hafenlotsen, macht klar: „Wir sind bereit zu kämpfen.“

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