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■ Die Grundschule Oderstraße möchte von Kraft Foods gesponserte High-Speed-Computer vorerst nicht haben / Grund: Platzmangel, fehlende Tische und völlig unqualifizierte Lehrer

Die pressewirksame Eröffnung eines Computerraums in der Grundschule Oderstraße, zu der Bildungssenator Willi Lemke (SPD) und der Sponsor Kraft Foods am 15. Mai 2000 eingeladen hatten, war eine Mogelpackung. Schon wenige Tage nach dem Fototermin wurden die Rechner wieder abgeholt und der hoch gelobte PC-Raum an der Schule steht auch heute noch leer.

Damit Willi Lemke damals in die Kamera lächeln konnte, wurde der Raum mit „niegelnagelneuen internetfähigen Superrechenmaschinen“ (taz 16. Mai 2000) vollgestopft (siehe Foto).

Dass die Schule ihre Spende gar nicht gebrauchen konnte, hatten die Spender von Kraft Foods zwei Tage vor der Pressekonferenz erfahren. Begründung der Schule: Es gäbe ein „Raum-Problem“, das aber noch in den Ferien geregelt werde. So kurzfristig wollte Kraft Foods den Termin nicht absagen – so zog man die Show durch.

Anscheinend ging es aber weniger um den Raum als um die richtigen Tische. Die Kinder, die bei dem Pressetermin prima an den kleinen, normalen Schultischen sitzen konnten, sollten künftig von speziellen Computertischen aus surfen – die sind bis heute nicht geliefert.

Die Oderstraße war von Kraft Foods und vom Bildungssenator unter zahlreichen Bremer Schulen extra für das Sponsoring ausgesucht worden. „Wir wollten mit der Grundschule Oderstraße ganz explizit eine Schule mit PC ausstatten, die bisher keine Erfahrung damit hatte“, erklärt Rainer Gausepohl, Pressesprecher des Bildungssenators.

Das warf allerdings andere Probleme auf: Die Lehrer der Oderstraße müssen erst einmal Fortbildungsmaßnahmen besuchen, ehe sie den Schülern den Umgang mit den Hightech-Computern überhaupt erklären können. Dass es bei Grundschullehrern allgemein fachliche Defizite im Bereich Internet gibt, war im Bildungsressort allerdings auch vor dem Pressetermin bekannt.

Auch Norbert Rüppell, Schulleiter der Integrierten Stadtteilschule Am Leibnizplatz, hält den Zeitpunkt der Übergabe für verfrüht. Die Schule Am Leibnitzplatz ist Bremens Media-Schule und bildet seit Mai die Grundschullehrer der Oderstraße fort. „Wir stehen jetzt erst am Anfang der Schulung, da einige der Lehrer null Erfahrungen mit den Rechnern haben“, so Rüppell. Aufgrund der Sommerferien gab es bisher erst fünf Fortbildungs-Termine, bei denen die Pädagogen in kleinen Gruppen einmal wöchentlich unterrichtet wurden.

Zwischenzeitig überlegte das Kollegium sogar, die zehn Computer auf einzelne Klassenräume zu verteilen. Nach einer Unterredung mit Kraft Foods sahen die Pädagogen jedoch ein, dass es besser sei, die Rechner alle in einen Raum zu stellen. Alles andere „macht pädagogisch auch keinen Sinn“, sagt Andreas Windler. Der frühere Landesvorsitzende der Jungen Union ist heute bei Kraft Foods für Promotion zuständig und hatte den Pressetermin organisiert.

Es mangelte nicht nur an Tischen und an der Qualifikation. Ungeklärt sei auch, wer die Schule letztlich ans Netz bringen wird, musste Windler feststellen. Denn derzeit laufen Verhandlungen für alle Bremer Schulen – ein weiterer Grund, warum die PC nicht in der Oderstraße stehen können. Schließlich sollen nach dem Willen des Bildungssenators die Grundschüler nicht nur den Computer bedienen lernen, sondern auch gleich im Internet surfen. Da wollte das Bildungsressort lieber die Verhandlungen abwarten, bevor die Rechner aufgestellt werden, erklärt Windler.

Nicht alle PC lagern übrigens bei Kraft Foods: Damit die Lehrer sich schon einmal mit dem Rechner vertraut machen können, hatte die Schule eines der Geräte behalten und im Lehrerzimmer auf einen ganz normalen Tisch gestellt. Denn Übung macht den Meister und Übung haben die Pädagogen noch nötig. Bei Kraft Foods hatte man dafür Verständnis: „Die Erfahrung der Lehrer an den PC ist gleich null“, so Windler von Kraft Foods.

Deswegen bietet Kraft den Pädagogen eine Fortbildungsveranstaltung auf eigene Kosten an, „um das Internet an sich noch mal vorzustellen“. Beginnen wird diese Schulung in zirka zwei Wochen. Bis dahin sollen auch die PC wieder in der Schule stehen. Aber der Termin wird von der Schule noch nicht bestätigt. Die speziellen Computer-Tische wurden auch noch nicht geliefert. Ralf Sauerbier, Pressesprecher von Kraft Foods, gibt sich geduldig und spricht von einem guten Verhältnis zu der Schule: „Wir wollen mit dem Projekt eine langjährige Partnerschaft aufbauen.“

Christian H. Schuster

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