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Der Türkei fehlt Geld

Eigentlich wollen die Militärs neues Gerät. Doch der IWF mahnt, zu sparen. Deshalb werden vielleicht nur alte Panzer aufgerüstet

ISTANBUL ■ taz Offiziell herrscht Schweigen. Bislang gibt es in Ankara keine Reaktionen auf die Meldungen aus Deutschland, das Leopard-II-Geschäft mit der Türkei sei endgültig gescheitert. Tatsächlich spricht aber viel dafür, dass beide Seiten sich darauf verständigt haben, das Panzergeschäft zu beerdigen. Die Tonart ist schon seit längerem sehr viel gedämpfter als vor knapp einem Jahr in der Auseinandersetzung um die Lieferung des Testpanzers. Mehrmals hat Außenminister Ismail Cem in der Zwischenzeit betont, dass die Entscheidung über den Verkauf des Panzers, wie immer sie ausfallen würde, die türkisch-deutschen Beziehungen nicht beeinträchtigen könnte.

Die politischen Äußerungen korrespondieren offenbar auch mit den Ergebnissen im Panzertest. Zwar wird immer wieder betont, dass der Leopard II eigentlich das türkische Wunschmodell ist, andererseits hält sich aber auch hartnäckig das Gerücht, die türkischen Militärs hätten sich mittlerweile auf den amerikanischen „Abrams“-Panzer in einer Version eingestellt, die um wesentliche Teile des Leopard aufgerüstet ist. Der US-Panzer ist bereits in einer amerikanischen Lizenzproduktion mit einer 120-mm-Kanone von Rheinmetall versehen. Die ebenfalls im Test erprobten Panzer „Leclerc“ aus Frankreich und die modernisierte Version des letzten Sowjetpanzers T-29 aus der Ukraine haben dagegen wohl kaum eine Chance.

Für die Türkei hätte diese Lösung den Vorteil, politisch profitieren zu können, weil der große Bruder im Washingtoner Pentagon hoch erfreut wäre, und technisch wohl dennoch annähernd den Panzer zu bekommen, den sie haben wollen.

Wann sie ihn aber bekommen, steht noch in den Sternen. Der Verzicht auf den Rüstungsexport dürfte der deutschen Seite umso leichter fallen, als sich in der Türkei abzeichnet, dass das vermeintlich 1,7 Milliarden Dollar schwere Panzergeschäft so schnell kaum – und vor allem nicht in diesem Umfang – zustande kommen wird. Das wichtigste Ziel der türkische Regierung in diesem Jahr ist, die Inflation von rund 70 Prozent auf 25 Prozent zu drücken. In Zusammenarbeit mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) ist deshalb ein rigides Sparprogramm verabschiedet worden, zu dem große Rüstungsausgaben ganz und gar nicht passen, auch wenn die Kosten für die Panzer erst später anfallen würden.

Der für die Türkei zuständige IWF-Berater Cotarelli ist mit Mahnungen zur Sparsamkeit in den Medien fast jeden Tag präsent. Seitdem die Türkei zum EU-Beitrittskandidaten gekürt wurde, wird es überdies auch für die Militärs immer schwieriger, den Rüstungshaushalt quasi als exterritoriales Gebiet, das für Kürzungsdebatten tabu ist, aus dem politischen Geschäft herauszuhalten. Wofür brauchen wir 1.000 neue Panzer und was könnte man mit dem Geld nicht sonst alles machen, lauten die Fragen, die mittlerweile auch in türkischen Zeitungen gestellt werden.

Das Militär hat deshalb bereits durchblicken lassen, zunächst nur 250 neue Panzer anzuschaffen. Wahrscheinlich ist auch, dass das gesamte Beschaffungsprogramm der türkischen Armee wesentlich gestreckt wird. Ein Indiz dafür ist, das im Moment vorrangig mit Israel über eine Modernisierung der vorhandenen Panzer verhandelt wird. Die israelische Rüstungsindustrie ist an einem solchen Auftrag brennend interessiert, und Premier Ehud Barak hat bei einem Besuch in Ankara vor zwei Wochen noch einmal Druck gemacht, damit bald eine Entscheidung fällt.

Wenn aber erst einmal ein umfangreiches Programm zur Modernisierung der vorhandenen Panzer angelaufen ist, hieße das, dass die Beschaffung von neuem Gerät sogar um längere Zeit verschoben werden wird.

JÜRGEN GOTTSCHLICH

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