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Grün und nichtig

Antje Radckes Wahl zur GAL-Chefin wird angefochten. Monatelanges Verfahren droht. Interne Prüfung läuft bereits  ■ Von Sven-Michael Veit

Die Wahl von Antje Radcke zur Vorstandssprecherin der Hamburger Grün-Alternativen Liste wird ein formales Nachspiel haben: „Wir werden die Wahl anfechten“, kündigte Christian Sili, Sprecher der Grünen Jugend, gegenüber der taz hamburg an. Gestern Abend wollte der Vorstand der GAL-Nachwuchsorganisation förmlich beschließen, das parteiinterne Schiedsgericht anzurufen.

Die Grüne Jugend will die Annullierung der turbulenten Wahl auf der Landesmitgliederversammlung am Sonnabend (taz berichtete) erreichen. Versammlungsleiter Rainer Scheppelmann hatte den ersten Wahlgang für nichtig erklärt, weil eine Stimme mehr abgegeben wurde als Wahlzettel ausgegeben worden waren. Nach mehrfachem Nachzählen hatte sich jedoch herausgestellt, dass es keine Differenz gab. Zu diesem Zeitpunkt aber war der zweite Versuch bereits im Gange.

In diesem siegte die Parteilinke Radcke hauchdünn mit 103 zu 101 Stimmen über ihre Gegenkandidatin Heike Opitz, die von der Grünen Jugend, Bürgermeisterin Krista Sager und Teilen der Realos unterstützt worden war. Im ungültigen Wahlgang hatte Opitz noch mit 107 zu 104 vorne gelegen.

Den Vorwurf der Mauschelei gegenüber Scheppelmann, der auf der LMV laut geworden war, will Sili zwar nicht erheben. Er frage sich „aber schon, auf welcher Grundlage Scheppelmann seine Entscheidung traf“. Die Zählkommission, der Sili selbst angehörte, hätte ihre Nachprüfung „noch gar nicht abgeschlossen“ gehabt, als die Wiederholungswahl verkündet wurde.

Juristischen Rat holte sich Sili pikanterweise ausgerechnet bei der Verwaltungsjuristin Bettina Kähler. Die GAL-Bürgerschaftsabgeordnete saß auf der LMV selbst im Präsidium; im Berufsleben ist die Rechtsanwältin Sozia in der Kanzlei des grünen Urgesteins Ernst Medecke, seit Jahren Mitglied des dreiköpfigen Landesschiedsgerichts der GAL. Dieses wird nunmehr über die Anfechtung befinden müssen. Weder Kähler noch Medecke waren gestern erreichbar: Gemeinsamer Betriebsausflug.

Seine Co-Schiedsrichterin Carmen Gensler-Schaar, ebenfalls Anwältin und Gattin des bisherigen GAL-Chefs Peter Schaar, rechnet mit einer Verfahrensdauer von mindestens ein bis zwei Monaten: „Das läuft wie vor Gericht ab mit Schriftsätzen und Entgegnungen und gegebenenfalls mündlicher Anhörung der Beteiligten.“ Gegenstand sei allein „die formale Prüfung, ob alles satzungsgemäß zugegangen ist oder nicht“. Weder Opitz noch Radcke und der ebenfalls neugewählte Parteisprecher Kurt Edler wollten sich gestern zu dem Sachverhalt äußern. Auch Landesgeschäftsführer Michael Osterburg mochte keine Bewertung abgeben. Er führe „eine interne formale Überprüfung des Ablaufs“ durch, die noch einige Tage dauern werde.

Scheppelmann sieht die Sache gelassen. Er sei offiziell über die Differenz zwischen ausgegebenen Wahlzetteln und abgegebenen Stimmen informiert worden. „Formal und satzungsgemäß“, so der hauptberuflich stellvertretende Senatssprecher, „gab es gar keine andere Möglichkeit, als den Wahlgang zu annullieren.“

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