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Auf zur Freiheit

Rudolf Scharping und Michael Gorbatschow loten in Berlin sozialdemokratische Grundsätze aus. Brandt als Vorbild

BERLIN taz ■ Im vergangenen Jahr hat die SPD beschlossen, sich ein neues Programm zu verpassen. Doch bevor es so weit ist, wollen die Sozialdemokraten sich auf ihre Grundwerte besinnen und ihr Verständnis davon überprüfen.

Nachdem bereits im April die „Gerechtigkeit“ im Lichte der globalen Entwicklungen betrachtet wurde, haben führende Sozialdemokraten und Wissenschaftler zusammen mit Michael Gorbatschow gestern im Willy-Brandt-Haus über „Freiheit“ diskutiert.

Bei einem so grundlegenden Wert für die SPD greifen die Genossen und Genossinnen auf den großen Vorsitzenden zurück, nach dem sie auch ihre Berliner Parteizentrale benannt haben: Willy Brandt. Der im Dritten Reich vor den Nazis ins Exil Geflüchtete hat einmal gesagt: „Wenn ich also sagen soll, was mir neben dem Frieden wichtiger sei als alles andere, dann lautet meine Antwort ohne Wenn und Aber: Freiheit.“ Diesen Satz hat Generalsekretär Franz Müntefering dem Grundwerteforum als Leitmotiv vorangestellt, diesen Satz zitierte auch der Leiter der Programmkommission, Verteidigungsminister Rudolf Scharping. Nach den Worten des Politikwissenschaftlers Thomas Meyer geht es heute um „die Freiheit im Staat“, also um Mitsprache und um „Freiheit durch den Staat“, um die gleichen materiellen Chancen für alle. In seiner Rede machte Scharping deutlich, dass ein klassisches Verständnis von Freiheit in Zeiten der Globalisierung nicht mehr ausreiche. Auch ein gemeinsam verantwortliches Handeln von Bürgern müsse als Freiheit verstanden werden. „Freiheit verlangt Verantwortung“, sagte er und zitierte Rosa Luxemburg, wonach die Freiheit des Einzelnen da aufhört, wo die des anderen anfängt. Der Verteidigungsminister sagte aber auch, dass „das Individum und seine Möglichkeiten Vorfahrt haben vor staatlichen Reglementierungen“. Gorbatschow betonte, wie wichtig es gerade angesichts der Globalisierung sei, dass die Politik Kriterien für ihre Arbeit formuliere. I

In diesem Zusammenhang verwies die Hamburger Politikwissenschaftlerin Christine Landfried darauf, dass Freiheit nicht nur einem Teil der Menschheit zugute kommen dürfe. „Das ist ein Menschenrecht, kein Deutschenrecht. Wie also lässt sich auch im Hinblick auf die Globalisierung soziale Freiheit für alle realisieren?“

Sie mahnte, mehr Geld in die politische Bildungsarbeit für Jugendliche zu stecken. Angesichts des wachsenden Rechtsradikalismus reiche es nicht aus, nach Zivilcourage zu rufen. Vielmehr müssten junge Menschen „die Chance bekommen“, Freiheit zu erlernen. KARIN NINK

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