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Mutti bleibt auf der Strecke

Frauen im Erziehungsurlaub drohen beruflich abgehängt zu werden. Das Weiterbildungsprojekt Fafame hat erfolgreich versucht, Arbeitgeber und Arbeitnehmerinnen zusammenzubringen

von KARIN WENK

Mit Freude gehen viele Frauen in den Erziehungsurlaub, neuerdings Erziehungszeit genannt. Das Lachen vergeht ihnen, wenn sie nach Jahren zurück an ihren alten Arbeitsplatz möchten: In den meisten Fällen erweist sich der Wiedereinstieg als unmöglich. Fafame zeigte einen Weg, der Rückkehrerinnen und Unternehmen zugleich Gewinn bringt. Das bundesweit einmalige Modellprojekt steht für „Familienorientiertes Personalmanagement und Qualifizierung für kleine und mittlere Unternehmen“. Die Trägerschaft hatte der Berliner Verein Kobra übernommen, vor über zehn Jahren als Koordinierungs- und Beratungszentrum für die Weiterbildung von Frauen gegründet.

Die Mutter zu Hause wird in der Regel von ihrem Betrieb gar nicht mehr als Beschäftigte wahrgenommen. Sie bleibt auf der Strecke, obwohl sie sich eigentlich parallel zur rasanten technischen Entwicklung qualifizieren müsste. Nach Jahren hat sich ihr Arbeitsplatz völlig verändert, dazu kommt die Verunsicherung der jungen Frauen, Familie und Beruf überhaupt unter einen Hut zu bekommen. Teilzeitangebote gibt es in vielen Firmen nicht. Der Knackpunkt bei alledem: Für diese Frauen – sehr selten auch Männer – gibt es keine Fördermöglichkeiten, weder für eine umfassende berufliche Qualifizierung während des Erziehungsurlaubs noch für begleitende Maßnahmen.

Das Fafame-Modell steht auf zwei Säulen. Die erste beinhaltet die Entwicklung einer familienorientierten Personalpolitik. Dafür werden relevante Felder wie Arbeitszeit, Arbeitsabläufe, Information und Kommunikation unter die Lupe genommen. Es gibt betriebsspezifische Beratungen und Fachveranstaltungen.

Die zweite Säule ist die Weiterbildung der Beschäftigten im Erziehungsurlaub. Je nach dem Bedarf sowohl der Firma als auch der jeweiligen Teilnehmerin wird ein persönliches Kompetenz- und Qualifikationsprofil entwickelt. Da die Projektteilnehmerinnen aus verschiedenen Berufsfeldern stammen, wird jede Frau einzeln in bestehende Fortbildungsangebote bei Berliner Weiterbildungseinrichtungen vermittelt.

32 kleine und mittlere Unternehmen kooperierten mit dem anderthalb Jahre laufenden Fafame, das durch das Land Berlin und die EU gefördert wurde. 174 Beschäftigte nahmen teil, darunter 18 Erziehungsurlauberinnen.

Eine von ihnen ist Birgit Möck. Die gelernte Fotografin arbeitet bei CCS, einem Fachlabor für Farbfotografie und digitale Medien mit 20 Mitarbeitern. Birgit Möck bekam zwei Kinder und war sechs Jahre im Erziehungsurlaub. Ein Jahr bevor der „Urlaub“ zu Ende war, meldete sie sich bei ihrem Betrieb. Die Antwort des Arbeitgebers war ernüchternd: Ohne Weiterbildung könne sie auf keinen Fall wiederkommen. Das Unternehmen war komplett umstrukturiert und auf digitale Bildbearbeitung umgestellt worden. Arbeitsamt und Bildungsträger boten Vollzeitkurse an. „Für mich als inzwischen allein erziehende Mutter eine Unmöglichkeit, wohin sollte ich mit den Kindern“, erinnert sich Birgit Möck. Viele Kurse seien außerdem für sie nicht bezahlbar gewesen.

Dann hörte sie von Fafame. Sie besuchte Lehrgänge zum Umgang mit digitalen Medien und zum Erlernen grafischer Programme. CCS habe sich, nachdem Birgit Möck den Kontakt geknüpft hatte, offen und ohne spezielle Erwartungen auf die Kooperation mit Fafame eingelassen und sei positiv überrascht worden, so Personalchefin Sylvia Flaskamp.

Das Projekt habe die Firma durch fachspezifische Seminare für verschiedene Software-Programme unterstützt. Neben Birgit Möck bildeten sich auf diese Weise weitere Mitarbeiterinnen beispielsweise von der Reprofotografin zur Scanoperaterin weiter. Außerdem sei CCS in den Genuss von individuellen Beratungsleistungen in den Bereichen Organisation und Mitarbeiterkommunikation gekommen, die sie sich sonst gar nicht erst hätten leisten können, gesteht Sylvia Flaskamp.

Karin Garling von der Koebke GmbH würde gern alle Mütter in solch ein „tolles Projekt“ stecken. Dabei verhehlte die Personalverantwortliche nicht, dass sie auch begeistert ist, weil Fafame keine Kosten verursachte. Die seit 33 Jahren bestehende grafische Firma hatte als „Zweimannbetrieb“ begonnen und beschäftigt heute fast 200 Mitarbeiter, 58 Prozent davon sind Frauen. 24 Mitarbeiter darunter eine Erziehungsurlauberin wurden durch Fafame am PC genau so geschult, „wie wir es brauchen“.

Nach fünf Jahren Kindererziehung wollte die junge Mutter wieder arbeiten, zunächst auf 630-Mark-Basis. Seit Juni dieses Jahres kommt sie täglich sechs Stunden. Karin Garling kann nicht verstehen, dass Firmen sich immer noch schwer tun, wenn es um flexible Arbeitszeiten für Mütter und Väter geht. Gerade in ihrem Unternehmen falle dies nicht leicht, da die Auftragsintensität schwankend ist. Guter Willen tut eben auch Not.

Fafame zeigt, dass vieles möglich ist, und vor allem, dass Unternehmen nicht auf die Potenziale von Frauen verzichten sollten. Diese Erkenntnis wurde geteilt von den 80 Teilnehmerinnen der Fachtagung „work & life“, mit der das Projekt Fafame seinen Abschluss fand. Unternehmen, Weiterbildungsträger, Mütter im Erziehungsurlaub und Experten aus der ganzen Bundesrepublik diskutierten auf dem Berliner Kongress über die Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Dabei kristallisierte sich heraus, dass Frauen im Erziehungsurlaub – oder auch die Familienorientierung insgesamt – in den meisten Betrieben, aber auch in der Gesellschaft kein oder nur ein untergeordnetes Thema sind. Die Bildungsträger müssten mehr über modulare Strukturen nachdenken und vom bisherigen starren System abrücken. Ein weiteres Fazit der Konferenz war, so Kobra-Geschäftsführerin Rosi Jungkunz: „Weiterbildungsträgern kommt eine entscheidende Schnittstellenfunktion zwischen den Frauen und den Unternehmen zu.“

Bei aller Kritik konnte die Tagung mit einer Reihe mutiger Beispiele von Unternehmen auf dem Weg zur einer familienorientierten Personalpolitik aufwarten – nicht zuletzt im Bereich der Kinderbetreuung mit Hilfe der Unternehmen. So gibt es bei der Commerzbank im Frankfurter Raum einen Familienservice. Er ermöglicht die spontane und kurzzeitige Betreuung von Kindern im Alter zwischen 1 und 12 Jahren, beispielsweise bei Erkrankung der Tagesmutter oder einer Hortschließung.

Folgt die Politik den interessanten Ergebnissen dieser Tagung und der Einschätzung von Gabriele Schöttler, Berliner Frauensenatorin und Schirmherrin des Projekts, „dass Familienorientierung als Instrument der Wirtschaftsförderung mit Fafame erfolgreich erprobt wurde“, sollte es mindestens ein weiteres Fafame geben.

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