: Ein Visionär und Gentleman
Ken Adam wurde 1921 als eines von vier Kindern von Fritz und Lilli Adam in Berlin geboren. Sein Vater besaß das Kaufhaus „S. Adam“, das Sportbekleidung verkaufte und daneben Filmproduktionen der UFA ausstattete – zum Beispiel die bekannten Bergfilme von Arnold Franck „Das Wunder des Schneeschuhs“ und „Die weiße Hölle vom Piz Palü“ – wie auch die Expeditionen des Polarforschers Roald Amundsen.
Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten emigrierte Famile Adam mit dem dreizehnjährigen Ken 1934 nach London. Als sein Vater bald darauf starb – „an gebrochenem Herzen“, wie Ken Adam sagt –, konnte seine Mutter die Familie mit einer Pension für jüdische Emigranten über Wasser halten. Den jungen Adam hat die Begegnung mit den hochgebildeten Wissenschaftlern und Gelehrten, mit denen die Familie täglich zu Tisch saß, bleibend geprägt.
Um seinem Traumberuf Setdesigner näher zu kommen, besuchte Adam in London die Bartlett School of Architecture und arbeitete nebenbei in einem Architektenbüro. Als der Zweite Weltkrieg ausbrach, unterbrach er sein Studium, um auf englischer Seite sechs Jahre als Kampfpilot gegen die Nazis zu kämpfen. Seinen ersten Job beim Film bekam er durch seine Schwester Loni, die bei der Amerikanischen Botschaft arbeitete und ihn Andy Massey vorstellte, dem ArtDirector der Riverside Studios, der Adam 1948 als Zeichner engagierte.
Ken Adam hat mehr als achtzig Filme designt, über siebzig wurden realisiert. Er arbeitete mit berühmten Regisseuren wie Stanley Kubrick, Robert Siodmak oder Joseph L. Mankiewicz. Unsterblich jedoch machten ihn die James-Bond-Filme, von denen er – angefangen mit „Dr. No“ (1962) bis „Moonraker“ (1979) – insgesamt sieben ausstattete und damit den Bond-Look definierte mit seinem legendären Mix aus avanciertem Hightechglamour und einer Prise „holzgetäfelter“ englischer Tradition.
Adam gewann zwei Oscars für die beste Art Direction und erhielt den British Film Academy Award. 1995 verlieh ihm das Royal College of Art die Ehrendoktorwürde. 1998 folgte er der Einladung der Berliner Festspiele, für den Bereich „Kern“ der Millenniumsausstellung „Sieben Hügel“ ein Präsentationskonzept zu entwerfen, das die Bedeutung kleinster Teilchen wie Quarks, Neutronen und Neutrinos für die Besucher visualisiert. In bester Bond-Manier entwarf Adam eine begehbare Installation, in deren Zentrum ein von Stahlträgern gehaltener und von pipelineartigen Raumkörpern flankierter Globus schwebt. Die Besucher können die bernsteinfarbene Kugel mit einer Mischung aus titanischen Triumphgefühlen und Respekt in Äquatorhöhe auf einem Gerüst umrunden.
Als die Serpentine Gallery im letzten Winter Zeichnungen aus Adams fünfzigjährigem Filmschaffen in einer Ausstellung präsentierte, erwiesen ihm zahlreiche Architekten Reverenz, indem sie den Einfluss hervorhoben, den Adams Zelluloidvisionen auf ihre eigene Arbeit hatten.
Auch Winy Maas, Chefträumer des Rotterdamer Architektenteams MVRDV (Entwerfer des niederländischen Expo-Pavillons) und derzeitiger Popstar unter den Architekten, befindet sich mit seinem (noch virtuellen) Traumprojekt einer bewohnbaren Siedlung um einen Autobahnknotenpunkt in maximaler Nähe zu dem, was Adam schon vor dreißig Jahren für einen Dr. No und einen Blofeldals Modelle für ein schickes Futuristischer Wohnen realisiert hat. Wir erkennen also den Setdesigner Ken Adam als konkreten Visionär und erleben die Geburt der modernen Architektur aus dem Geist des Gadgets – der Wunderwaffe.
NIKE BREYER
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