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Dopingtest für Kühe

Seit Ende August gilt die europäische „Verordnung zur ökologischen Tierhaltung“. Landwirte, Verbraucher und Umwelt profitieren davon

von VOLKER ENGELS

Ganze sieben Jahre hat die Europäische Union gebraucht, um sich auf eine einheitliche Verordnung zur ökologischen Tierhaltung zu verständigen. Aber es hat sich gelohnt, frohlocken Verbraucher, Umwelt- und Tierschutzverbände. Sie feiern die Öko-Verordnung als „wesentlichen Schrittritt voran.“

Bauern, die den „Öko-Stempel“ der Europäischen Union haben wollen, müssen seit August nachweisen, dass ihre Schweine, Hühner oder Rindviecher genügend Auslauf und Weidegang haben. Eine weitere Bedingung: die ausreichende Versorgung mit Tageslicht und frischer Luft. Der vorbeugende Einsatz von Arzneimitteln oder Antibiotika ist ebenso verboten wie das Verfüttern gentechnisch veränderter Nahrung.

Die Belastung der Umwelt, insbesondere des Bodens und des Grundwassers, heißt es in der Verordnung, muss auf ein „Minimum“ reduziert werden. „Der Verbraucher kann sich darauf verlassen, dass von staatlicher Seite regelmäßig kontrolliert wird und dass die Richtlinien eingehalten werden“, meint Burkhard Kape von der „Öko-Prüfzeichen GmbH“. Die Verordnung, die er „sehr positiv“ bewertet“, stellt für den 39-Jährigen einen Kompromiss dar, der in die „richtige Richtung geht.“

Immerhin müssen 70 Prozent der Zutaten aus ökologischem Anbau stammen, um der EU-Richtlinie zu genügen. Soll das deutsche Öko-Prüfzeichen der „Arbeitsgemeinschaft ökologischer Landbau“ (Agöl) auf dem Schwein kleben, liegt die Messlatte höher: Mindestens 90 Prozent Öko-Zutaten beim Futter – sonst gibt es keine Prüfplakette.

Die europäische Einigung in Sachen ökologische Tierhaltung ist auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten interessant: Erstmals ist der Handel und Austausch von Ökofleisch nach einheitlichen Richtlinien, die zudem noch staatlich kontrolliert werden, festgelegt. Der Konsument kann sicher sein, dass der spanische Ochse genauso viel Auslauf hatte wie sein französischer oder deutscher Kollege.

Ein „zunehmendes Interesse“ an Biofleisch bemerkt Burkhard Kape in den Ländern der Europäischen Union. Aber erst, wenn „Bauern die Gewissheit haben, dass sie Abnehmer finden, werden sie ökologisches Fleisch produzieren“, meint er mit Blick auf die geringen Umsatzzahlen der ökologischen Fleischwirtschaft.

Gerade einmal 2,6 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen wurden 1999 in Deutschland von 12.716 Biohöfen bewirtschaftet. Das sei „viel zu wenig“, stellt der Mitarbeiter der Öko-GmbH fest. Das Ziel: Rund 10 Prozent der Anbauflächen müssten „ökomäßig“ bearbeitet werden, um nachhaltige Wirkungen auch für den Tier- und Umweltschutz zu erreichen. „Das Potential ist da!“

Immerhin haben im letzten Jahr fast 1.200 Bauernhöfe auf ökologische Bewirtschaftung umgestellt. In Mecklenburg-Vorpommern wurden 1999 über 9 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe ökologisch betrieben. Weltweit belegt Deutschland beim Öko-Flächenanteil den achten Platz.

Besonders unter gesundheitlichen Aspekten könnte das Fleisch von Tieren, die keine Hormone oder gentechnisch verändertes Futter fressen, für gesundheitsbewusste Verbraucher interessant werden. Jede Nachricht von wahnsinnigen BSE-Rindern lässt die Nachfrage nach Biofleisch in die Höhe schnellen, während der Gesamtverzehr von Rindfleisch sinkt. Zwischen 1990 und 1999 ging der Konsum von Kalb und Rind um rund 30 Prozent zurück. Die Probleme, landwirtschaftliche Ökoprodukte abzusetzen, lässt sich eindrucksvoll am Verkauf von Eiern belegen: Lediglich 1 bis 2 Prozent der 18 Milliarden Eier, die jährlich in Deutschland über den Ladentisch gehen, stammen aus ökologischer Produktion, schätzt die Arbeitsgemeinschaft ökologischer Landbau.

Immerhin liegt der Anteil der Verbraucher, die zumindest gelegentlich Ökoprodukte kaufen, bei etwa 50 Prozent. Damit aus diesen Gelegenheitskäufern regelmäßige Kunden werden, sei auch „der Großhandel gefragt“, sagt Martin Müller. „Die haben die Mittel für Werbung“, meint der wissenschaftliche Mitarbeiter an der Fachhochschule Neubrandenburg. Bislang gebe es kaum nennenswerte Investitionen größerer Handelketten in die Werbung für Ökowaren, kritisiert der 35-Jährige, so dass „grundsätzlich die Mittel fehlen, Ökofleisch schmackhaft zu machen.“

Die Vorteile von ökologisch produziertem Fleisch müssten den Verbrauchern „deutlich gemacht werden.“ Bei steigenden Absatzzahlen profitieren auch die Käufer. Die goldene Regel der Marktwirtschaft gilt auch für Ökoprodukte: Je mehr produziert wird, desto billiger kann es verkauft werden.

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