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Grüner Streit vor OB-Wahl

In Köln drücken viele Grüne der CDU die Daumen. Doch grüne Landesminister unterstützen die SPD

von PASCAL BEUCKER

Wer gewinnt die OB-Stichwahl in Köln? Eigentlich stehen bei der Entscheidung am Sonntag nur noch der CDU-Kandidat Fritz Schramma und SPD-Anwärterin Anke Brunn zur Wahl. Die grüne Kandidatin ist im ersten Wahlgang vor zwei Wochen ausgeschieden. Trotzdem wird es morgen Abend auch bei den Grünen Sieger und Verlierer geben.

Der Kampf, wer die kommenden neun Jahre an der Spitze der Domstadt stehen wird, hat sich zu einer kuriosen Machtprobe zwischen dem Grünen-Kreisverband in Köln und den führenden Köpfen der nordrhein-westfälischen Landespartei entwickelt. Es geht um die 9,1 Prozent der WählerInnen, die sich im ersten Wahlgang für die grüne Kandidatin Barbara Moritz entschieden haben. Diese „grünen Stimmen“ könnten am Sonntag den Ausschlag geben.

Nach den letzten Umfragen liegt CDU-Mann Schramma, der in der ersten Runde auf 47,3 Prozent kam, immer noch vorn. Infratest dimap sieht Schramma bei 50,5 gegenüber 49,5 Prozent für Brunn, die am 3. September 38,9 Prozent bekam. Forsa hat einen Vorsprung von 52 zu 48 Prozent ermittelt. Doch die Wahl ist noch nicht gelaufen: Fast 20 Prozent der Kölner haben sich noch nicht entschieden, wen sie am Sonntag wählen wollen.

Gerade um das Grünen-Klientel kämpfen die zurückliegenden Sozialdemokraten verbissen. Um es zu gewinnen, schalten sie im Wahlkampfendspurt Anzeigen mit einem Wahlaufruf der grünen Landesminister Bärbel Höhn und Michael Vesper zugunsten Anke Brunns. Besonders der stellvertretende Ministerpräsident Vesper legt sich mächtig ins Zeug. Am Mittwoch trat er als „Überraschungsgast“ auf einer SPD-Veranstaltung mit Kanzler Schröder und Ministerpräsident Clement im Kölner Gürzenich auf. Unter großem Beifall rief Vesper in den Saal: „Anke Brunn muss die erste Oberbürgermeisterin in Köln werden.“

Das allerdings sehen die Kölner Grünen anders. Sie sind verärgert über das Engagement der Düsseldorfer Parteifreunde. „Der Wahlaufruf ist wohl eher aus rot-grüner Koalitionsräson auf Landesebene erfolgt“, giftet der grüne Ratsfraktionsvize Jörg Frank. Der Kölner Kreisverband hatte sich mit großer Mehrheit gegen eine Wahlempfehlung ausgesprochen, da weder Schramma noch Brunn „im Wahlkampf für die Grünen akzeptable politische Ziele formuliert“ hätten.

Nicht wenige aus der grünen Ratsfraktion hoffen jedoch insgeheim auf einen Sieg Schrammas. Denn für den Fall eines SPD-Erfolgs befürchten sie eine große Koalition. „Rot-schwarze Personalpakete liegen fertig in der Schublade“, ist sich Fraktionschefin Barbara Moritz sicher.

Würde Brunn nach ihrer Wahl auf Rot-Grün setzen, gäbe es ein Patt im Rat, „bei der der ‚Republikaner‘ das Zünglein an der Waage ist, was keiner wollen kann“, rechnet die grüne Frontfrau vor. Das sei nun mal ein Dilemma.

Gewinnt aber der im Wahlkampf betont liberal und grünen-freundlich auftretende 52-jährige Schramma, dürfte die Kooperation zwischen CDU und Grünen fortgesetzt werden, obwohl es dann auch wieder eine Einstimmenmehrheit für Schwarz-Gelb im Rat geben würde. „Wir arbeiten an einem Modell Schwarz-Grün, das über die Stadtgrenzen hinaus Beachtung finden wird“, hatte CDU-Fraktionschef Rolf Bietmann bereits am Abend nach dem ersten Wahlgang verkündet.

Die Kölner Situation sei „komplizierter, als das mancher ahnungslose grüne Minister in Düsseldorf verstehen kann“, schimpft die Grüne Moritz. Inhaltlich stünde sie zwar der SPD näher, doch eine Mehrheit lasse sich halt nur mit der CDU bilden.

Der grüne Streit lässt die Wahlchancen für Anke Brunn sinken. Gratulieren werden ihr Konkurrent Schramma und auch Moritz am Sonntag jedoch auf jeden Fall: Die 57-Jährige hat an diesem Tag Geburtstag. Ob sie einen Grund zum Feiern haben wird, entscheiden die Wähler.

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