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Gaspedal im Tunnelblick

Ökosteuer und Benzinpreise machen Hamburger Bürgerschaft zunächst einmal sprachlos und dann streitbar  ■ Von Sven-Michael Veit

Bei diesem Thema versagt bisweilen nicht nur der gesunde Menschenverstand, sondern auch die Technik im Hamburger Rathaus: Kaum war die Aktuelle Stunde der Bürgerschaft über die Ökosteuer eröffnet, wurde sie auch schon von Präsidentin Dorothee Stapelfeldt (SPD) unterbrochen. Zu unverständlich war, was der erste Redner Axel Bühler (GAL) zu sagen hatte. Die erst im Sommer für 300.000 Mark installierte neue Lautsprechertechnik streikte. Nach 45-minütiger Unterbrechung wurde dem irreparablen Verursacher der Störung, einem der beiden Mikrophone am Rednerpult, der Saft abgedreht – Bühler durfte seine Rede in Mono noch einmal halten.

Und sprach von der Ökosteuer als „Kern grüner Politik“, der gegen Interessengruppen durchgesetzt werden müsse, auch gegen die CDU, deren „Tunnelblick allein aufs Gaspedal“ gerichtet sei. Die Abschaffung der Ökosteuer, so Bühler und nach ihm auch SPD-Umweltexpertin Renate Vogel, wäre „das falsche Signal“. Sie sei erforderlich als „sanftes Lenkungsinstrument für die Energiewende hin zu sanften Technologien, zu sparsamen Autos, zu weniger Ressourcenverbrauch und zu vermehrtem Energiesparen“.

Was den CDU-Verkehrspolitiker Bernd Reinert erwartungsgemäß Vollgas geben ließ: „Sie lenken nicht, Sie fahren Arbeitsplätze an die Wand“, befand er unter Hinweis auf die LKW-Demo in der Hansestadt. Mit der nächsten Stufe der Ökosteuer, der Erhöhung um weitere sechs Pfennige, verschärfe die Bundesregierung „die Wettbewerbsnachteile der deutschen Wirtschaft“ noch mutwillig. Das sei der „verkehrte Weg“.

Auf dem aber, diagnostiziert Lutz Jobs vom Regenbogen, sei wohl eher die Union mit ihrer „verlogenen Kampagne gegen die KO-Steuer“. Er forderte die CDU auf, „zur Glaubwürdigkeit“ zurückzufinden: „Geben sie doch zu, dass ihnen die Umwelt wurscht ist“. Sein Gruppen-Kollege Norbert Hackbusch findet die Ökosteuer zwar „eigentlich richtig“, aber „unausgegoren“. Die Einnahmen müssten „in voller Höhe für die ökologische Umgestaltung ausgegeben werden“.

SPD-Finanzsenatorin Ingrid Nümann-Seidewinkel beharrte auf dem „Festhalten an einer berechenbaren Steuerpolitik, die sich nicht an Marktschwankungen ausrichtet“. Zudem lägen die deutschen Benzinpreise im EU-Vergleich immer noch im Mittelfeld. Und der grüne Umweltsenator Alexander Porschke erinnerte an das Versprechen der Kohl-Regierung auf der Weltklimakonferenz in Rio, den CO2-Ausstoß um 25 Prozent bis 2005 zu reduzieren. Faktisch aber sei die Emission um elf Prozent gestiegen. Da müsse gegengesteuert werden, „um die Klimakatastrophe aufzuhalten“. Einen kurzfristigen Vorschlag dafür hatte GALier Martin Schmidt parat: Er hält „autofreie Tage wie nach dem ersten Ölpreisschock 1973 für keine schlechte Idee“.

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