Neue Öko-Offensive

Umweltpolitiker der Koalition nutzen Benzinkosten-Diskussion, um die Ökosteuer zu verbessern. Ausgleichzahlungen sind unumstritten

aus Berlin MATTHIAS URBACH

Der Kanzler hatte offenbar unterschätzt, welches öffentliche Interesse sein Halbsatz von den sozialen Korrekturen vor einer Woche im Bundestag auslösen würde. Seit Tagen jagt ein Vorschlag, die Bürger von den Benzinkosten zu entlasten, den nächsten: Kilometerpauschale erhöhen, Bahn billiger machen, Entfernungspauschale einführen. Und Koalitionspolitiker legten sich auf unterschiedliche Positionen fest.

Für einen kurzen Moment fühlte man sich erinnert an die Anfangszeit der Regierung, als die eine Hand nicht wusste, was die andere tat. Bei den Grünen schwankte die Stimmung zwischen Depression, weil man am Montagmorgen noch meinte, die schlichte Erhöhung der Kilometerpauschale schlucken zu müssen, bis inzwischen zur Freude darüber, nun doch gute Chancen zu haben, die Kilometerpauschale wenigstens in eine verkehrsmittelunabhängige Entfernungspauschale umwandeln zu können. Nach dem Motto: Wenn die Pauschale schon erhöht wird, soll sie wenigstens auch den Radfahrern zugute kommen. Gestern legte sich die Aufregung ein wenig, das Finanzministerium rechnet die Vorschläge durch, so die Verabredung der Regierung, mit der man sich ein wenig Luft verschafft.

Es sind die Umweltpolitiker der Regierungsfraktionen, denen immer klarer wird, das man die Ökosteuer besser machen muss, wenn man sie verteidigen will. Reinhard Loske nennt das „offene Flanken schließen“. Gestern brachte der Umweltsprecher der grünen Fraktion zusammen mit dem SPD-Umweltpolitiker Hermann Scheer ein Thesenpapier in die beiden Bundestagsfraktionen ein, um in Fragen Ökosteuer wieder in die Offensive zu gelangen. Einzelne Schwächen gäben den „falschen Freunden“ der Ökosteuer aus der Opposition immer wieder die Chance, die Steuer als unökologisch zu kritisieren. Nun wollen die beiden Politiker alle Ausnahmen abschaffen, die nicht ökologisch begründet seien.

So solle nach ihren Wünschen die Industrie spätestens ab 2002 nachweisen müssen, dass sie Energie spart, um befreit zu werden. Auf Ökostrom soll künftig keine Steuer mehr erhoben werden, auf Strom aus klimaschonender Kraft-Wärme-Kopplung nur noch der halbe Steuersatz. Man solle die Ökosteuer nicht mehr wie ein „hässliches Kind“ verstecken, sondern offensiv dafür werben. Schließlich lägen in der derzeitigen Situation auch Chancen für die Umweltpolitik. Auf Dauer werde es „kein billiges Öl mehr geben“, da ist Scheer überzeugt. Also müsse man Energiesparen und erneuerbare Energien fördern.

„Wir müssen den Konsens der Siebzigerjahre nach der Ölkrise wiederfinden“, sagt Loske, „uns vom Erdöl unabhängig zu machen.“ Tatsächlich schießen an den Börsen schon die Kurse für Unternehmen, die mit Brennstoffzellen oder erneuerbaren Energien zu tun haben, in die Höhe. Offenbar kommt das Problembewusstsein für begrenzte Ölreserven und Klimaschutz außerhalb der Tagespolitik an.

Scheer und Loske wollen nun die Förderprogramme für ökologische Investitionen ausbauen, statt nur Subventionen an die Autofahrer zu zahlen. Doch auch sie sind für einen sozialen Ausgleich, wenn er zeitlich begrenzt bleibt und die Ökosteuer nicht untergräbt. Sie können sich auch einen Ausgleich für die Benzinpreise über die Einkommensteuer vorstellen und regen ein Kilometergeld in der Höhe von 20 bis 25 Pfennig an. Dieser Betrag würde dann direkt vom Finanzamt ausgezahlt – anders also als die Entfernungspauschale, die von der Steuer abgesetzt wird. Dies gäbe einen Vorteil für Wenigverdiener, die genauso viel Geld vom Fiskus zurückerhielten wie Großverdiener, die einen höheren Steuersatz haben. Für Normalverdiener bliebe alles beim Alten.

Derweil fand die Entfernungspauschale gestern weitere Befürworter. Sowohl ÖTV-Chef Herbert Mai als auch der Naturschutzbund (Nabu) sprachen sich dafür aus. Sogar CSU-Chef Edmund Stoiber ist nicht gegen die Enfernungspauschale.