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„Auch die Strom-Wahl ist politisch“

Die Ökostrom-Firma Lichtblick rechnet damit, dass es noch Jahre dauert, bis sich ein Markt für grünen Strom gebildet hat. Das Hamburger Unternehmen startete Initiative für rechtlich verbindliche Wettbewerbsbedingungen im liberalisierten Strommarkt

aus Hamburg GERNOT KNÖDLER

Selbst die Castor-Gegner haben das nicht kapiert. Als sich Heiko von Tschischwitz bei der Gorleben-Demo am vergangenen Samstag umhörte, woher die Demonstranten ihren Strom bezögen, war das Ergebnis enttäuschend. „Selbst unter den Leuten, die sich gegen die etablierte Strompolitik einsetzen, war die Mehrheit noch beim alten Versorger“, resümiert der Geschäftsführer des Hamburger Ökostrom-Anbieters Lichtblick.

Jemanden mit einem weniger sonnigen Gemüt hätte das wohl ziemlich frustriert. Tschischwitz lässt sich nicht beirren. 200.000 Kunden hatte der 32-Jährige im ersten Jahr mit sauberem Strom beliefern wollen. Gut 12.000 sind es geworden. Jeden Monat gewinne seine Firma gerade 1.000 neue KundInnen dazu. Immerhin: Die Tendenz ist steigend.

„Es hat sich jeder verschätzt“, sagt Tschischwitz, der sich vehement gegen die These wehrt, das „Konzept Ökostrom“ sei gescheitert. Im Vergleich zu anderen Unternehmen mit ähnlichem Budget schneide seine Firma gut ab. „Man darf uns nicht mit Yello vergleichen“, findet er. Der Atomstromer hat mit einer massiven Werbekampagne und einem Billigangebot nach eigenen Angaben mehr als 350.000 Kunden in Deutschland gewonnen.

Aber auch mit Ökostrom und einem zweistelligen statt dreistelligen Millionen-Budget glaubt Tschischwitz, mehrere hunderttausend Haushalte als Kunden gewinnen zu können. Fünf Prozent Grün-Wähler entsprächen bereits zwei Millionen Haushalten, rechnet Tschischwitz vor. „Ich behaupte, dass wir mit unserem Produkt eine erheblich größere Zielgruppe haben.“ Das liege an seinem Produkt: preisgünstiger, gleichzeitig atom- und kohlefreier Strom.

Die Idee zu Lichtblick kam Tschischwitz und dem Hamburger Unternehmer Michael Saalfeld im Frühjahr 1998, als die PreussenElektra drohte, vor dem Europäischen Gerichtshof zu klagen, weil sie so viel Windstrom aufkaufen musste. Unter diesen Umständen könne sie ihren Haushaltstarif nicht halten, hatte sie gejammert. Saalfeld und Tschischwitz erboste diese falsche Argumentation so, dass sie beschlossen „ein Unternehmen zu gründen, das beweist, dass die Energiewende machbar ist“. In der Kölner Privatbank Sal. Oppenheim fanden sie einen Kapitalgeber, der sie selbst bestimmen ließ, wie sich das Unternehmen entwickeln sollte.

Heute gehören der Bank 65 Prozent von Lichtblick, Saalfeld hält 25, Tschischwitz 5 Prozent. Der Rest gehört den 25 MitarbeiterInnen. Angesichts der Trägheit des Marktes erwies sich die gute Kapitalisierung als richtige Entscheidung. „Wir haben Zeit“, sagt Tschischwitz, „viele andere haben das nicht.“ Die ersten Anbieter, wie etwa die Ares Energie AG, haben aufgegeben. Vielen Betrieben fehle das energiewirtschaftliche Know-how, um sich gegen die Tricks der alten Versorger zur Wehr setzen zu können, sagt Tschischwitz. Beispielsweise würden zu hohe Abschlagszahlungen für die Stromdurchleitung verlangt. Wer’s nicht merkt, ist schnell zahlungsunfähig.

Lichtblick hat 350 Durchleitungsvereinbarungen mit den Stromnetzbetreibern ausgehandelt und gibt an, damit 90 Prozent aller Haushalte erreichen zu können. Doch selbst nach Abschluss einer solchen Übereinkunft hören die Schwierigkeiten nicht auf. „Sie kriegen vom Stadtwerk einen Vertrag, der in der Regel nicht akzeptabel ist“, sagt Tschischwitz. Zusammen mit den Firmen Best Energy und Yello hat Lichtblick deshalb vergangene Woche eine Initiative Pro Wettbewerb gestartet, die „rechtlich verbindliche Rahmenbedingungen“ für den Wettbewerb im liberalisierten Strommarkt fordert (taz vom 20. September).

Um eine größere Marktmacht zu erreichen, Kosten zu sparen und das Image zu verbessern, arbeitet Lichtblick seit August mit den Strom-Rebellen aus Schönau im Schwarzwald zusammen. Den Stromeinkauf, die Zertifizierung und die Durchleitung zur Kundin betreiben die Firmen jetzt gemeinsam. Ihr Angebot unterscheidet sich in der Tarifgestaltung und dem Solarpfennig, der im „Watt Ihr Spart“-Tarif der Schönauer enthalten ist. Lichtblick investiert dafür mindestens 25 Prozent seines Gewinns in Klimaschutzprojekte, wie jüngst in ein Wasserkraftwerk in Nepal. Den Vertrieb besorgen die beiden Unternehmen alleine.

Tschischwitz setzt dabei aufs Internet (www.lichtblick.de), über das im dritten Quartal 2000 schon mehr als 16 Prozent aller Verträge zustande gekommen sind. Und auf den Direktkontakt. Wie letztes Wochenende in Gorleben. Tschischwitz: „Wir müssen das Bewusstsein schaffen, dass die Wahl des Stromversorgers was Politisches ist.“

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