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Sind wir alle potenzielle Cyber-Kriminelle?

Innenminister der Länder wollen Telefonverbindungsdaten noch ein halbes Jahr nach Rechnungsversand speichern

BERLIN taz ■ Auf seiner ersten Sitzung im neuen Domizil in Berlin-Mitte wird der Bundesrat heute unter anderem über die Neufassung der Telekommunikations-Datenschutzverordnung (TDSV) beraten. Entgegen den Forderungen der Datenschutzbeauftragten der Länder und des Bundes verlangt der Innenausschuss des Bundesrates, die Verbindungsdaten aller Telefonanschlüsse künftig länger zu speichern. Bisher müssen die Angaben, wann wer mit wem und wie lange telefoniert hat, spätestens achtzig Tage nach Versand der Telefonrechnung gelöscht werden.

Der federführende Wirtschaftsausschuss will die Frist nur auf drei Monate verlängern. Im Gegenzug dafür soll eine vom Rechnungsversand unabhängige Höchstgrenze eingeführt werden: Spätestens sechs Monate nach Ende des Gesprächs sollen die Daten gelöscht werden.

Der Innenausschuss sieht durch diese Pläne „die Arbeit der Strafverfolgungsbehörden beeinträchtigt“, so die Stellungnahme zum Verordnungsentwurf. Den Innenministerien ist offensichtlich nicht entgangen, dass manche Anbieter ein Jahr brauchen, um Telefonate zu berechnen: Diese große Datenbasis würde Geheimdiensten und Strafverfolgern mit der Neuregelung teilweise entzogen. Die bisherige 80-Tage-Frist solle stattdessen ohne weitere Änderungen auf sechs Monate erhöht werden – eine „gefährliche, verfassungsrechtlich angreifbare Vorratsdatenspeicherung“, kritisiert ein breites Bündnis von Datenschutzbeauftragten in Bund und Ländern.

Mit der längeren Speicherungsfrist werde „allen Telekommunikations-Nutzern unterstellt, sie seien potenzielle Cyber-Kriminelle“, beklagt Thilo Weichert, stellvertretender Datenschutzbeauftragter des Landes Schleswig-Holstein. Außerdem seien vor allem arglose Bürger betroffen. Verbrecher würden eine Speicherung sowieso umgehen, denn jeder Kunde könne mit seiner Telefongesellschaft kürzere Speicherungsfristen vereinbaren. „Die gewaltigen Datenfriedhöfe, die bei den Anbietern vorgehalten werden sollen, sind in jedem Fall ein unnötiger Eingriff in das Fernmeldegeheimnis“, meint Weichert. Das Bundesverfassungsgericht habe bereits mehrfach festgestellt, dass das Fernmeldegeheimnis ein hohes Gut sei, das auch die Verbindungsdaten schütze. Der Datenschützer erwartet deshalb, dass der Bundesrat heute „der sinnlosen Datensammlerei einen Strich durch die Rech- nung macht“.

MATTHIAS SPITTMANN

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