Indiziensammlung zur Fehlentwicklung

Rot-grüner Senat zementiert Kompetenzen für Polizeikommission  ■ Von Kai von Appen

Die CDU-Polizeihardliner halten sie für „überflüssig“ und möchten sie abschaffen, der rot-grüne Senat versucht nun ihre Kompetenzen durch ein Landesgesetz zu zementieren: Bereits am 1. November soll das Ergänzungsgesetz zur Polizeikommission (Poko) in Kraft treten. Danach soll die Poko künftig aus ihrer Bittstellerposition herauskommen und ein weitgehendes Recht auf Akteneinsicht sowie Befugnis zur Besichtigung verwahrter Beweismittel oder sichergestellter Gegenstände gewährt bekommenen. Das Gesetz wird kommende Woche die Bürgerschaft passieren.

Die Poko wurde 1998 eingerichtet, um „Fehlentwicklungen“ bei der Polizei frühzeitig zu erkennen und einzudämmen. Ihr gehören mit der Ex-Bezirksamtsleiterin Ingrid Soehring, dem Kriminologen Professor Fritz Sack und dem Anwalt Ralf Heine drei von den Rathausparteien bestellte ehrenamtliche Mitglieder an. Sie bearbeitet Beschwerden von Bürgern, kann aber bei polizeilichen Verfehlungen eigenständig tätig werden und der Innenbehörde Bericht erstatten.

Dass es zur Erweiterung der Befugnisse kommt, ist aber nicht der Wertschätzung der Arbeit durch die Behörden zu verdanken, sondern der Änderung der Strafprozessordnung und einer Initiative der Grünen. „Wir mussten schon Druck machen,“ so der GAL-Bürgerschaftsabgeordnete Manfred Mahr. Denn schon die geltende Fassung des Gesetzes räumt der Poko weitreichende Rechte ein. So hätten ihnen „alle Dienststellen der Polizei Einsicht in alle Unterlagen und Akten“ und „jederzeit Zutritt zu den Diensträumen zu gewähren“.

Doch zwischen Anspruch und Realität klafft eine große Lücke. So hatte die Poko erst Anfang 1999 erfahren, dass sich Innen- und Justizbehörde quer stellen und per Verordnungen festgelegt hatten, dass das jeweilige Akteneinsichtsrecht nur „mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft“ zu erteilen ist.

Das soll nun anders werden: „Es besteht mithin grundsätzlich ein unbedingter Anspruch auf Einsichtnahme in die Akten, so dass die Vorlage nicht mehr im Ermessen der Staatsanwaltschaft steht“, so die Begründung der Gesetzesvorlage. „Gerade Widersprüche im Akteninhalt oder lückenhafte Dokumentation polizeilicher Maßnahmen können Indizien für Fehlentwicklungen sein.“

Wie wahr dies ist, zeigte sich beispielsweise jüngst in einem Prozess gegen drei Rote-Flora-Aktivisten. Mitglieder der berüchtigten „P-Schicht“ (Präsenzgruppe) des Lerchenstraßen-Reviers waren im Februar vorigen Jahres während eines Anti-Drogen-Aktionstages im Schanzenviertel bei einem rechtswidrigen Beschlagnahmeversuch von Pressematerial ertappt worden. Als die Fahnder von Leuten zur Rede gestellt wurden, kam es zum Disput.

Obwohl es zu keinerlei Tätlichkeiten gekommen war, versuchte der P-Schicht-Leiter Thomas Dötter später daraus eine Rempelei und Schubserei zu konstruieren, die er in eine Anzeige wegen Widerstand und Landfriedensbruch kleidete. Um keine Widersprüche in den einzelnen Berichten aufkommen zu lassen, schrieb er die angebliche Aussagen seiner Kollegen höchstpersönlich zu einem Sammelbericht zusammen. Das fand die Richterin Gudrun Stöhr „auffällig“ und stellte das Verfahren ein. Eigentlich ein typischer Fall für die Poko.

Mit der Erweiterung der Poko-Befugnisse ist Mahr erstmal zufrieden. Mahr: „Die Regelung ist ziemlich klar.“