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Think Big mit Leo

Der deutsche Basketball auf dem Weg nach Dawson City: Zum heutigen Start der Bundesliga redet sich ein Sport die Zukunft golden. Schuld daran trägt ein Fernsehvertrag mit dem Kirch-Konzern

von MARKUS VÖLKER

Was hat Alf mit der Basketball-Bundesliga (BBL) zu tun? Nichts, sollte man annehmen. Das Vieh vom Planeten Melmac, das das amerikanische Suburbia noch ein bisschen erschreckender macht, hat die Korbschützen während seiner Zapping-Exzesse allenfalls mal in der Glotze gesehen. Genau darum geht es vor dem heutigen Start der Bundesliga: Um Basketball auf dem Schirm und den Alf-Effekt, der eigentlich ein „ran“-Effekt ist.

Also: Weil die Serie mit dem Extraterrestrischen vor „ran Sat.1-Fußball“ in den so genannten Time Slot gelegt wird, schauen viel mehr Leute Alf (zwei Millionen), als sie es ohne Fußball täten. Nun löst aber ab dem 14. Oktober ein Zusammenschnitt von den Samstagsspielen der Basketballer in Gießen, Berlin oder Weißenfels von 18 bis 18.30 Uhr das Treiben um Katzenfreund Gordon Shumway ab. Und die Verantwortlichen hoffen auf Quote, eben weil danach Uli Hoeneß Christoph Daum vielleicht eine „Bratwurst“ heißt und die Task Force gefährliche Einsätze fährt – Ereignisse, die Deutschland ganz bestimmt nicht kalt lassen.

Zwar geht Kirchmedia, zu der Sat.1 und das Deutsche Sportfernsehen (DSF) gehören, mit dem „Produkt Basketball“ schonend um, das fortan nicht mehr wie Krabbelware, sondern als Wertmarke unter die Konsumenten gebracht werden soll. Heißt es wenigstens. „Die Anforderungen werden schon nicht unverschämt sein“, sagt Moderator Lou Richter von Sat.1. „Außerdem wollen wir Basketball ja aufbauen.“ Neben der halben Stunde auf Sat.1 zeigt das DSF zudem ein Live-Spiel am Abend.

Die Stimmung in Kreisen der Basketballmacher ist nach dem Deal vergleichbar mit der Hysterie auf dem Chilkoot-Trail in den goldenen Norden Kanadas. Ein jeder, voran BBL-Commissioner Otto Reintjes, trägt einen guten Festmeter Zaunlatten unterm Arm, bereit, den Claim abzustecken und die Nuggets zu bergen. Die Schürfrechte, deren finanzielle Konditionen von beiden Seiten gehütet werden, gehören freilich dem „Big Player“ Kirch. Reintjes sagt: „Es ist typisch deutsch zu sagen: ‚Vorsicht, jetzt haben wir uns verkauft.‘ Denen antworte ich: ‚Natürlich haben wir uns total verkauft.‘“

Sponsoren (Opel, Deutsche Bahn, Direktanlage-Bank, s.Oliver) springen plötzlich auf ein Schiff auf, von dessen Zustand, besser: Image, sich selbst ausgehungerte Filibuster im südchinesischen Meer hätten abschrecken lassen. Nun ist alles anders. Es geht voran. Der Basketball boomt. So will es gewollt werden. Das Ich-habe-ein-gutes-Gefühl wird perpetuiert. „Wir müssen jetzt lernen, unser Bewusstsein zu verändern, groß zu denken. Das ist eine historische Chance, die sich in unserer Geschichte mit nichts vergleichen lässt“, hat Reintjes erkannt. Der Präsident der Spielergewerkschaft, Henning Harnisch, sagt dagegen: „Der Vertrag ist nicht Gott.“ Entscheidend sei immer noch der Nachwuchs und bessere Standards in den Hallen, die sich vom Jahn’schen Milbenschuppen in den multifunktionalen Dome (siehe links) verwandeln müssen. Jahrelang trugen die Basketball-Verweser, vulgo: die Öffentlich-Rechtlichen, zur Sieche eines Sports auf der Mattscheibe bei. Der Vertrag war mit ARD und ZDF geschlossen und fand seine Bestimmung darin, in einem Safe Staub anzusetzen. Doch davor gab’s schon mal Basketball auf Sat.1: Das NBA-Magazin „jump-ran“. Vor fünf Jahren. Als der Vertrag mit den Amerikanern auslief, bemühte sich der Privatsender nicht wirklich um eine Verlängerung.

Frage: Was ist jetzt sportlich anders als zuvor? Zunächst nähert sich der Sport dem US-amerikanischen Vorbild. Der Angriff dauert zukünftig nur noch 24 Sekunden, es wird in vier Vierteln zu je zehn Minuten gedribbelt statt 2 x 20 Minuten. Das macht das Spiel schneller, dynamischer, TV- und somit werbeunterbrechungsfreundlicher. Die Ausländerregelung wurde weiter gelockert. Überdies wächst der Konkurrenzdruck, was am Beispiel der miteinander keilenden Europaligen deutlich wird. Während sich Meister Alba Berlin der verbandstreuen SuproLeague anschloss, geht Pokalsieger Frankfurt Skyliners zu Teams der südeuropäisch dominierten EuroLeague auf Reisen.

„ran“ hat Alf immerhin 100 Prozent mehr Zuschauer beschert. Ob der Fußball-Effekt auch für den Basketball gilt, wird sich zeigen. Noch sind die Sendeplätze garantiert, Zusagen verbindlich. Nach- und Zuversicht könnten sich aber schnell ins Gegenteil verkehren, wenn Mediadata nur noch sechsstellige Zahlen meldet.

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