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Kleines Vermögen

Buchtipp: So funktioniert die Börse. Die Autoren haben Spaß an der Wirtschaft und Lust an der Formulierung

Eines Abends, dreiundzwanziguhrsechsundvierzig. Eigentlich ist es nicht die Zeit, sich jetzt noch ernsthaft über wichtige Dinge Gedanken zu machen. Gleichwohl, plötzlich die Frage: Wie funktioniert eigentlich die Börse? Ein Griff neben das Bett in den Bücherstapel – und zufällig das richtige Buch erwischt: „So funktioniert die Börse“.

Das Werk ist nicht mehr taufrisch, manche Zahl naturgemäß von gestern. Aber Schimmel ansetzen wird es sicher in keinem Regal. Denn die beiden Wirtschaftsjournalisten Erich Erlenbach und Frank Gotta, aus deren Federn das Buch stammt, nähern sich dem Thema Börse auf ihre ganz eigene Art. Sie bieten mit dem Blick von außen reportageartig Einblick in die Welt da drinnen, auf das Parkett, in den Kosmos von Devisen, Future und Shareholder-Value. Fachbegriffe werden fundiert erklärt, ohne Schulmeisterei, denn das Buch ist kein klassisches Lehrbuch. Echte Lösungen für Börsenprobleme gibt es für die Autoren sowieso nicht. „Die Börse ist ein Rätsel, das ist ihr immanent. Und letztlich wissen das auch alle, die da vermeintlich logisch argumentieren.“

Denn „Stimmung und Geschäftsablauf an der Börse spiegelt all das wider, was an jenem Tag von Bedeutung ist – oder erscheint“. Und außer der Aktienbörse gibt es noch einen anderen Markt, die Gerüchtebörse. „An ihr wird so ziemlich alles gehandelt, was auch nur andeutungsweise zur Erklärung einer Kursbewegung herhalten könnte.“ Was wiederum ein neues Gerücht produzieren kann, weil ein anderer womöglich einen Hörfehler hat – und damit wäre die Sache rund.

Die Leute in der Börse schließen permanent Verträge – ein Horror und nichts für brave Rentner, die vor jeder Anschaffung zunächst drei Kostenvoranschläge einholen. Hier schreit man sich kurz an – „Zehn Brief!“ – und 5.000 Mark wechseln den Besitzer.

Das Buch ist gut geschrieben: Die Autoren haben nicht nur Spaß an der Wirtschaft, sondern auch Lust auf Sprache. Man muss nicht unbedingt am Anfang beginnen. Am besten ist sogar, man liest zunächst das Ende eines jeden Kapitels, denn da stehen die Sprüche („Was tun, wenn ein Schweizer Banker aus dem Fenster springt? – Hinterher, es gibt was zu verdienen“). Die Wahrheit ist wohl, dass eigentlich niemand weiß, wie Börse tatsächlich funktioniert. Aber sie macht einen Heidenspaß. Weil alle, die glauben, sie zu verstehen, sie furchtbar ernst nehmen.

Fazit: Jeder, der jemals mit dem Gedanken spielt, Aktien zu kaufen, sollte zunächst dieses Buch lesen – und sich dann noch mal entscheiden, damit er sicher weiß, worauf er sich einlässt. Börsianer – alles Zocker aus Leidenschaft. So steht es in diesem Buch. Oder so ähnlich. Aber: „Was weiß man schon? Man muss nur daran glauben.“

PS: „Wissen Sie eigentlich, wie man an der Börse zu einem kleinen Vermögen kommen kann? – Indem man mit einem großen anfängt“ (letzter Vers, Kapitel 16). ANDREAS LOHSE

Erich Erlenbach/Frank Gotta: „So funktioniert die Börse. Aktien, Zinsen, Derivate, Euro“. Societäts-Verlag, Frankfurt/Main, 34,80 DM

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