: Nur laut nachgedacht
■ Kollege bestätigt, Richter Schill habe die Haftbeschwerde absichtlich verzögert
Es war Freitag Mittag, und die von Ronald Schill inhaftierten Prozesszuschauer saßen bereits den dritten Tag im Gefängnis. Unter den KollegInnen war Gesprächsthema Nummer eins, dass der Amtsrichter die Haftbeschwerde immer noch nicht weitergeleitet hatte. Beim zuständigen Oberlandesgericht hielt sich trotz des Pfingstwochenendes eine Kammer zur Entscheidung bereit. Und Schill, so gestern ein Richterkollege als Zeuge, saß in der Kantine und dachte laut darüber nach, ob er die Haft nicht noch weiter verlängern könne. Damit belastete Thorsten Sch. den Angeklagten Richter in dessen Prozess um Freiheitsberaubung und Rechtsbeugung. Am Freitag könnte das Urteil verkündet werden, morgen wird plädiert.
Dann wird sich auch Schill selbst erstmals zu den Tatvorwürfen äußern. Wichtig wird vor allem seine Antwort auf die Frage sein, wie er damals den Tag nach der Inhaftierung der beiden Zuschauer verbrachte – er war erst nachmittags an seiner Arbeitsstelle aufgetaucht. Sein Kollege Thorsten Sch. sagte gestern, er habe den Eindruck gehabt, dass Schill die Beschwerde absichtlich verschleppt habe: „Es schien keine Gründe zu geben, die Akte nicht zu bearbeiten.“ Bei dem Kantinengespräch am Freitag Nachmittag habe das auch eine andere Amtsrichterin Schill vorgeworfen. Der aber habe sich darüber geärgert, dass bei einer dreitägigen Haft der angebrochene erste Tag mitberechnet wird, obwohl die Zuschauer erst am Nachmittag ins Gefängnis gekommen seien. Er habe erwogen, den Haftbeschluss im nachhinein so abzuändern, dass die beiden drei Mal 24 Stunden im Gefängnis hätten bleiben müssen.
Ein zweites Mal saß auch Amtsgerichtspräsident Heiko Raabe gestern im Zeugenstand. Der betonte, keinesfalls der „Intimfeind“ des Angeklagten zu sein. Schill indes versuchte, diesen Nachweis zu führen. Scharf befragte er den Präsidenten zu einer Sitzung des Hamburgischen Richtervereins vor mehreren Jahren, in der ein „Komplott“ gegen ihn geschmiedet worden sein soll. Die Geduld des Gerichtes reizte er sichtlich aus. Immer wieder wies der Vorsitzende Fragen zurück: „Sie sind es, der hier Schärfe in die Atmosphäre bringt“. Elke Spanner
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