: Nur die halbe bittere Wahrheit
Dasa-Erweiterung: Initiativen kritisieren Senatskonzept. Neue Industrieparks in Naturschutzgebieten an der Süderelbe geplant ■ Von Sven-Michael Veit
Ins Parlament setzt Manfred Braasch keine Hoffnungen mehr. Eine große Koalition aus Rot-Grün und CDU, vermutet der Geschäftsführer des BUND Hamburg, werde die Erweiterung des Dasa-Werks in Finkenwerder „einfach durchwinken“. Morgen wird in der Bürgerschaft über das Anfang September vorgelegte Senatskonzept abgestimmt, das die Verlängerung der Werkslandebahn und die Vernichtung eines Drittels der ökologisch wertvollen Elbbucht Mühlenberger Loch vorsieht.
1,2 Milliarden Mark will Hamburg sich diese Maßnahmen kosten lassen, damit der Riesen-Airbus A3XX in Finkenwerder teilmontiert werden kann. Dadurch, so die Hoffnung des Senats, würden „dauerhaft 4097 direkte und indirekte Arbeitsplätze“ neu geschaffen.
Norbert Hackbusch vom Regenbogen hält diese Zahlen „für aus der Luft gegriffen“. Sie seien in der Senatsvorlage „an keiner Stelle belegt“. Bei der Hafenerweiterung in Altenwerder, erinnert sich Hackbusch, sei vor Jahren auch von 3000 neuen Jobs die Rede gewesen: „Jetzt sind es knapp 300 geworden.“ Doch selbst wenn die Prognosen realistisch wären, hat Wilhelm von Buddenbrock vom Schutzbündnis für Hamburgs Elbregion errechnet, würde die Stadt „jeden Arbeitsplatz mit rund 300.000 Mark subventionieren“, der Flächenverbrauch pro neuem Arbeitnehmer betrüge etwa 700 Quadratmeter: Und das in einem Stadtstaat, „der wenig Geld und wenige Flächen hat“.
Doch das alles sei, argwöhnen die Kritiker des A3XX-Projekts, nur die halbe bittere Wahrheit. Für die Ansiedlung der Zulieferfirmen „in modernen Industrieparks insbesondere in der Nähe des Werks Finkenwerder“, so heißt es im Senatskonzept, müsse „der gesamte Süderelberaum“ für eine „zügige planerische Festlegung“ betrachtet werden. Ein Passus, der nach Ansicht von Initiativen und Regenbogen nur eine Deutung zulässt: Die Vernichtung der Naturschutzgebiete Westerweiden und Alte Süderelbe für ein großflächiges Industriegebiet.
Beide Biotope grenzen im Süd-osten an das Dasa-Werk, von diesem bislang getrennt durch den Neßhauptdeich. Um das neue Werksgelände auf dem Mühlenberger Loch aber soll für 120 Millionen Mark ein Flutschutz der Kategorie „Landesschutzdeich“ gezogen und aus dem Etat für öffentlichen Hochwasserschutz finanziert werden. Zudem plant der Senat eine Umgehungsstraße für Finkenwerder entlang der Alten Süderelbe. Damit würden, so die Befürchtung, der alte Deich und die parallel laufende jetzige Straße überflüssig. Airbus und den Subunternehmen würde somit der Zugriff auf die beiden Naturschutzgebiete ermöglicht.
Mit dieser ganzen bitteren Wahrheit aber, so glauben die Kritiker, rücke Rot-Grün wohl erst nach der nächsten Bürgerschaftswahl heraus. Also in Jahr und Tag.
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