: Haiders Maulwurf beim ORF
Polizisten sollen für die FPÖ Gegner bespitzelt haben. Auch beim ORF wurde geschnüffelt
An die telefonischen Interventionen von Peter Westenthaler, dem FPÖ-Fraktionsvorsitzenden und ORF-Kuratoriumsmitglied, hat man sich in den Chefetagen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens gewöhnt. Nicht weniger als 20mal soll er letzte Woche an einem einzigen Tag angerufen haben, um die Berichterstattung über Enthüllungen des ehemaligen FPÖ-Polizeigewerkschafters Josef Kleindienst zu verhindern.
Kleindienst, bis vor kurzem Hoffnungsträger der FPÖ für den Aufbau eines eigenen Gewerkschaftsverbands, hat in einem Buch ehemalige Parteifreunde der Spionage bezichtigt. Im Auftrag von hohen Parteifunktionären hätten er und andere Beamte jahrelang nach kompromittierenden Informationen über politische Gegner der FPÖ im Polizeizeiarchiv gefischt. Er selbst will 1993 im Parteiauftrag gegen den Künstler André Heller ermittelt haben, der sich damals an die Spitze einer Bewegung gegen die Anti-Ausländer-Kampagne der FPÖ gestellt hatte. Die Vorwürfe sind derzeit Gegenstand einer Untersuchung im Auftrag von Innenminister Ernst Strasser.
Der wird bald noch mehr zu tun haben: Unter dem Titel „Der große Lauschangriff“ berichtet das Magazin profil in seiner am Montag erschienenen jüngsten Ausgabe über Datenklau auch im ORF. Quelle ist nicht nur Kleindienst. Denn nicht erst seit dem Erscheinen seines Buches stellt man sich dort die Frage, wieso manche Politiker schon vor den Nachrichtensendungen über deren Inhalt detailliert Bescheid wissen und telefonisch intervenieren können. Für die Informationen aus dem ORF-Computer zeigte sich die FPÖ laut profil durch finanzielle Zuwendungen erkenntlich, abgewickelt über die Polizeigewerkschaft.
Erste Überprüfungen haben ergeben, dass das System nicht von außen geknackt wurde. Daher liege es nahe, die undichten Stellen innerhalb der ORF-Strukturen zu suchen. Politisch motivierte Beeinflussungsversuche der journalistischen Unabhängigkeit hat es immer gegeben. Seit die FPÖ in der Regierung sitzt, hat sich jedoch die Gangart spürbar verschärft. Generalintendant Gerhard Weis zur Häufung der unzulässigen Interventionen: „Ich habe keine Strichliste. Das ist eine Dauerauseinandersetzung, nicht nur mit dem Herrn Westenthaler.“
Die Affäre dürfte sich zu einem größeren Skandal für die FPÖ auswachsen. Entsprechend hysterisch reagieren deren Spitzenleute. Haider will den Polizisten Kleindienst, mit dem er vor zwei Jahren Arm in Arm die Gewerkschaft gründete, gar nicht kennen. Peter Westenthaler weicht allen Fragen zu Kleindiensts Anschuldigungen aus.
Dazu zählt auch eine angebliche Verschwörung gegen den Nachrichtensprecher Josef Broukal, der sich bei der FPÖ durch „unfaire“ Fragen unbeliebt gemacht hatte: FPÖ-Polizisten sollen auf eine Gelegenheit gelauert haben, ihn bei einer beliebigen Übertretung zu erwischen, zum Widerstand gegen die Staatsgewalt zu provozieren und dann in der Zelle zu verprügeln.
RALF LEONHARD
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