Statt feuriger vivi@n nur Evian

Das „moderne Frauenmagazin“ vivi@n versucht, eine topaktuelle Business- und Internetzeitung für Damen zu sein. Und bleibt vor lauter News, Trends und Style leider auf halbem Wege stecken. Denn Anglizismen allein sind noch kein „hot stuff“

von JENNI ZYLKA

Der Teufel steckt nicht nur im Detail. Sondern auch im Großen und Ganzen. Man möchte also eine Frauenzeitung machen, die nicht nur einen Damennamen hat, um klassische Leserinnen anzusprechen (Männerzeitungen heißen komischerweise nie mal „Lutz“ oder „Karlheinz“), sondern sich auf möglichst moderne und interessante Art und Weise im viel beschworenen „Internet-Zeitalter“, das übrigens immer nur von Nichtbenutzern respektvoll so genannt wird, positionieren soll. Wofür braucht man aber den weiblichen Blick auf den neuen Markt, wenn diese angeblichen Unterschiede zwischen männlichem und weiblichem Gebaren, zumindest was die Medien betrifft, doch eigentlich aufzuheben sind?

Natürlich nicht ganz aufzuheben, davon sind selbst Vorderste-Front-Feministinnen abgekommen. Aber was sollte eine Frau davon abhalten, zum Beispiel Spiegel, Focus und bei Bedarf eine beliebige Frauenzeitung hinzuzuziehen?

Und doch, da gibt es einen Grund: Wenn eine neue Zeitung den Spiegel mit seinen typischen, gleichmäßig-spöttischen Texten, aus denen keiner in Stil oder Umsetzung herausstechen darf, hinter sich lassen, dessen durchschaubare Layoutideen (mindestens ein nackter Hingucker pro Ressort) auflösen würde. Und auch die Möchtegern-Faktenschmiede Focus einfach durch bessere Themen und modernere Darbietung verblüffen könnte.

Die vivi@n, geboren aus dem Burda-Verlag, ausgestattet mit starken Reminiszenzen (bis hin zur Verwechslung) an die Verlagskolleginnen Focus und Bunte, hatte vielleicht ursprünglich dieses hehre Ziel. Sie erscheint in 130.000-facher Auflage am Magazin-Montag, und auch nach den ersten beiden Ausgaben, die man zur Not noch unter „Üben“ abhandeln könnte, stellt sich noch kein überzeugendes Konzept dar. Stattdessen blitzen so viele Anglizismen in den Ressortüberschriften, dass es pure joy ist: „Family“, „Money“, „New Media“ und „Business“ stehen dem Horoskop, Essen & Genießen und Wohnen gegenüber. Natürlich alles zu erreichen über ein Portal im Internet.

Aber jetzt das Traurige: Fast jedes der Ressorts, ohne die offensichtlich kein Modernitäts-Effekt erreicht werden kann, enthält so viel Informatives wie eine Werbeanzeige. Dass der „Moneyguide“ nun gerade Tipps wie „Sparbuch: Und Tschüs!“ bringen muss, dass die Rentenreform wie für Vorschulkinder mit den Worten „Die Politiker können nicht anders. Denn das deutsche Rentensystem liegt ziemlich im Argen“ erklärt wird, das erinnert nur an einen verpassten Zug. Und an nichts anderes.

Die Themen selbst stimmen zwar, erfolgreiche Frauen wie Steffi Graf, Maybrit Illner, gerade stets auf dem Weg ins Internet, lachen von den vivi@n-Covern, und warum sollten sie auch nicht? Immer noch besser als das hunderttausendste Ich-habe-nur-einen-Vornamen-Covergirl im Designerfummel. Abgesehen davon, dass sich das für eine amtliche Business-Zeitung auch nicht gehören würde. Aber wer soll vivi@n lesen? Denn den Frauen, die wirklich im und mit dem Business arbeiten, wird sie zu altmodisch und unaktuell sein. Und den Altmodischen zu wenig hausfrauenkompatibel.

Das wuselige, recht unübersichtliche und leider auch langweilige Layout mal beiseite gelassen, könnte in dem Magazin einiges stecken, was zwar auch woanders steckt, aber sei’s drum: Interviews (J. K. Rowling, Maybrit Illner), politische und gesellschaftliche Nachrichten, Kolumnen, Reportagen (Kosovo-Kriegsopfer). Nur, um es mal im trutschigen vivi@n-Stil zu formulieren: Diese Zeitung ist leider so gar nicht mutig. Sondern größtenteils einfach spießig und konventionell. Kolumnistin Petra Gerster häuft zum Thema „Rechte Gewalt“ oder „Internet – auch für Frauen“ (phhh!) einen Allgemeinplatz neben den anderen („Die Zukunft der Welt findet im Internet statt – und die sollten wir nicht den Männern überlassen“). Die Brigitte-Dossier-ähnliche Vivi@n-Vision – Antworten auf unser Jahrhundert“ gibt die Antwort „Das Jahrhundert wird weiblich“, was zwar eine reizende Intention, aber ansonsten zum Gähnen ist. Und in allen Ecken lauern Wellness-Tipps.

Dabei könnte man es doch eigentlich nur besser machen: Die anderen, sei es die Internet- und Businessspecials der klassischen Frauenblätter oder die „Unternehmerzeitung“ mit dem besten Namen des Jahrhunderts, die Chefin (unsägliche Beilage des unsäglichen Magazins Chef) zeigen ständig, dass der beste Weg zu einer kompetenten, modernen Frauenzeitung noch lange nicht gefunden ist. Die vivi@n samt Chefredakteurin Susanne Walsleben jedenfalls braucht bei allem Engagement, bei allen guten Absichten, vielleicht noch mal einen Wochenendworkshop zum Thema „Female content management for modern magazines“. Oder so ähnlich.