: Schwarz-Schwarz gescheitert
Im Großbezirk Charlottenburg-Wilmersdorf sind sich liberale und rechte Christdemokraten nicht mehr grün. Nach dem Austritt zweier CDU-Bezirksverordneter hat die Partei vor Ort keine Mehrheit mehr und muss sich nach neuen Partnern umsehen
von RALPH BOLLMANN
Der Berliner CDU-Generalsekretär Ingo Schmitt bekommt nun früher als gedacht die Gelegenheit, seine schwarz-grünen Gedankenspiele in der Praxis zu erproben – und zwar in seinem Heimatbezirk Charlottenburg-Wilmersdorf. Dort hat sich die Union zu früh über ihre absolute Mehrheit gefreut: Die beiden Bezirksverordneten Wolfgang Sadowski und Wolfram Rex erklärten am Dienstag ihren Austritt aus Partei und Fraktion. Damit hat die CDU die absolute Mehrheit im Großbezirk verloren.
Die beiden Kommunalpolitiker vom rechten Parteiflügel folgen damit dem Vorbild ihres Gesinnungsgenossen Ekkehart Wruck, der sich als CDU-Chef in Wilmersdorf jahrelange Grabenkämpfe mit dem liberalen Parteiflügel geliefert hatte. Kaum hatte Wruck den Kampf mit der Berliner Parteispitze und die Mehrheit im Kreisverband verloren, gab er sein Parteibuch zurück. Seither sitzt er als fraktionsloser Abgeordneter im Landesparlament. Jetzt darf er – frei von jeder Parteidisziplin – beispielsweise in einer Debatte zum „Schutz jüdischer Einrichtungen“ über den Antisemitismus der politischen Linken im Allgemeinen und Karl Marx’ im Besonderen dozieren.
Seit Wrucks Entmachtung bestimmt der liberale Parteiflügel um Finanzsenator Peter Kurth und die Abgeordnete Monika Grütters den Kurs. Der Rechtsanwalt Christoph Lehmann wurde neuer Kreisvorsitzender. Doch eine neue Kraftprobe stand bevor: Die Wilmersdorfer mussten sich mit dem Charlottenburger Kreisverband, angeführt vom Parteirechten Schmitt, auf die Verteilung der Posten im neuen Großbezirk einigen.
Das gelang nach einigem Knirschen Ende September, doch das Ergebnis missfällt der Wilmersdorfer Wruck-Fraktion zutiefst. Für den einzigen der drei Stadtratsposten, der an einen Ex-Wilmersdorfer ging, ist Baustadtrat Alexander Straßmeir vorgesehen – ein Mann des liberalen Flügels. Die innerparteiliche Opposition hätte den Job lieber dem Wilmersdorfer Rathauschef Michael Wrasmann zugeschanzt. Schließlich habe die dortige Union ihr glänzendes Ergebnis mit Wrasmann an der Spitze erzielt, so der abtrünnige Bezirksverordnete Sadowski. Wenn Wrasmann jetzt gar nicht ins Bezirksamt einrücke, „dann ist das Wählerbetrug“.
Das Sündenregister, das Sadowski seinen ehemaligen Parteifreunden vorhält, ist lang. So habe die Mehrheit erst nach langem Zögern einer Partnerschaft des Bezirks mit der Bundeswehr zugestimmt. Auch als Geld gesammelt worden sei, um im Fraktionsraum eine deutsche Fahne aufzustellen, hätten sich die Kollegen verweigert. Derartige Vorfälle seien „aus konservativer Sicht eine Katastrophe“. Er selbst, so Sadowski, stehe für „CDU-Klassik pur“.
Die attackierten Parteifreunde reagierten auf den lange angekündigten Austritt gestern eher erleichtert – zumal das Personalpaket fürs Bezirksamt nicht in Gefahr ist. Denn eine andere Mehrheit gäbe es nur, würden sich Sadowski und Rex mit SPD, Grünen, PDS und FDP zu einer Zählgemeinschaft verbünden. Nach seiner Wahl allerdings wird der neue CDU-Bezirksbürgermeister, Charlottenburgs bisheriger Jugendstadtrat Andreas Statzkowski, nach Partnern Ausschau halten müssen.
Das ist eine Perspektive, die den CDU-Kreisvize Lehmann nicht schreckt: „Das kann eine Chance sein, mit anderen in eine engere Zusammenarbeit zu kommen.“ Und der Kreisvorsitzende Ingo Schmitt, der als Generalsekretär mit seinem demonstratives Vorpreschen in Sachen Schwarz-Grün die Debatte eher zu ersticken drohte, kann jetzt im eigenen Bezirk zeigen, wie ernst er es damit meint.
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