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Mit Erfolg integriert?

Der sechste Familienbericht untersucht die Situation ausländischer Familien in Deutschland. Rolle der Frauen bei der Integration werde unterschätzt

BERLIN taz ■ Die Integration ausländischer Familien wird eine Daueraufgabe bleiben. Zu diesem Ergebnis kommt der sechste Familienbericht der Bundesregierung, den Familienministerin Christine Bergmann und der Chemnitzer Soziologe Bernhard Nauck gestern in Berlin vorstellten.

„Migration ist ein Familienprojekt, das sich durch mehrere Generationen zieht“, sagte Nauck. Den Gastarbeitern der Sechzigerjahre, die den Großteil der in Deutschland lebenden Ausländer stellen, seien über Generationen neue Familienangehörige gefolgt, die erneut Migrationsgruppen gebildet haben. Viele von ihnen seien zurückgekehrt oder pendelten zwischen beiden Ländern hin und her.

Vier Jahre haben Bernhard Nauck und vier weitere Wissenschaftler an dem Bericht gearbeitet, der sich ausschließlich mit der Situation von Familien ausländischer Herkunft beschäftigt. Für die Mehrzahl der Migranten konstatieren sie eine erfolgreiche Integration.

Die zunehmende „Heiratsmigration“ sehen die Wissenschaftler positiv und fordern günstigere Bedingungen für Eheschließungen ausländischer Partner. Gleichzeitig betonen sie die starken familiären Bindungen von Ausländern in Deutschland. „Die hohen Solidarpotenziale, die darin stecken, werden von der Politik unterschätzt“, kritisierte Nauck. So pflegen sich Mitglieder in ausländischen Familien stärker untereinander und beteiligen sich an der Alterssicherung ihrer Verwandten, da sie aus ihren Herkunftsländern oft keine Sozialsysteme nach deutschem Muster kennen. „Das Herauslösen der Migranten aus ihren sozialen Bindungen hat besonders für Ausländer, die nicht dauerhaft in Deutschland bleiben, fatale Konsequenzen“, sagte Nauck.

Unterschätzt werde auch die Rolle der Frauen und Mütter bei der Integration ihrer Familien. „Ausländische Frauen haben eine starke Stellung“, sagte Nauck. Erwerbstätigkeit sei bei ihnen zwar weniger verbreitet, wenn sie aber einer Arbeit nachgingen, würden sie stärker zum Haushaltseinkommen beitragen als die deutschen Frauen. Familienministerin Christine Bergmann resümierte: „Der Rollenwandel unserer Gesellschaft hat bei den ausländischen Frauen nicht Halt gemacht.“

Nach Veröffentlichung des Berichts forderte der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Ulrich Schneider, „politische Konsequenzen“. So müssten die Bildungsangebote für Migranten ausgebaut werden. Der Bericht sieht vor allem Defizite in der Deutschausbildung ausländischer Kinder unter Wahrung ihrer Herkunftssprache. Bilingualität und Bikulturalität müssten als Ressource erschlossen werden. RALF GEISSLER

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