piwik no script img

„Rechnet sich nicht“

■ Der Eingriff in die norddeutsche Küstenlandschaft ist nicht nötig und nicht rentabel, sagen Naturschützer

Martin Rohde vom Bund Naturschutz Deutschland (BUND) beugt sich über die Karte, auf denen die Planungen für den Tiefwasserhafen in Wilhelmshaven verbreitet wird. 460 Hektar Wattenmeer soll zwischen den bisherigen Öl-Piers aufgeschüttet werden, um die Stellflächen für die Container-Riesen herzustellen. „Eine derart massive Veränderung der Küstenlandschaft hat es bislang nicht gegeben“ sagt er. Das offiziell von Wilhelmshaven verbreitete Sonder-Blatt der Wilhelmshavener Zeitung formuliert das Staunen so: „Das erforderliche Volumen von rd. 60 Millionen Kubikmetern Aufspülung stellt für deutsche Verhältnisse eine neue Dimension im Wasserbau dar.“ Für den Flughafen Hongkong und in Singapur seien größere Dimensionen realisiert worden, beruhigen sich die Wilhelmshavener. Mit diesen Aufschüttungen kommt die neue Kaje nicht an die 18 Meter tiefe Fahrrinne heran. „Das ist kein Tiefwasserhafen, kann es auch nie werden. Da ist eine Bucht!“

Zwar sei der Nationalpark Wattenmeer nicht direkt berührt, aber dennoch müssten die Hafenbauer damit rechnen, auf 1.000 Hektar einen Ausgleich für ihren Eingriff in die Natur schaffen zu müssen. Eine Autobahn muss gebaut werden, eine Eisenbahn-Anbindung – der Hafenbau würde die gesamte Region verändern. „Ich behaupte, wir brauchen den Tiefwasserhafen nicht. Das Grundargument stimmt nicht.“ Der Naturschützer vom BUND ist sich da mit den Aktiven von der „Aktionskonferenz Nordsee“ (AKN) einig: „Aus den tatsächlichenTiefgängen der Containerschiffe und aus den vorhandenen bzw. geplanten Umschlagskapazitäten lässt sich die Notwendigkeit eines Tiefwasserhafens nicht ableiten“, schreibt die AKN. Nicht ohne Grund sei „die Machbarkeitsstudie für einen Tiefwasserhafen in Cuxhaven unveröffentlicht“, auch die „Untersuchung der Wirtschaftlichkeit für den Standort Wilhelmshaven wird verheimlicht“. Ein demokratischer Entscheidungsprozess werde so verhindert.

Der maximale Tiefgang eines Containerschiffes ist kein Grund für einen Tiefwasserhafen. Beweis für die Umweltschützer: „Das derzeit weltgrößte Container-Schiff Sovereign Maersk fährt bis nach Göteborg, wo die Fahrwassertiefe nur elf Meter beträgt.“

Aus den Fahrplänen der Reedereien wird ersichtlich, dass ihre Schiffe innerhalb Europas mehrere Häfen anlaufen und dort jeweils zu- und auch abladen. Erst wenn das Schiff aus Südeuropa Kurs auf Fernostasien nimmt, hat es in der Regel die maximale Beladung.

„Es ist eher umgekehrt: Sollten sich die Container-Riesen durchsetzen, dann nur deshalb, weil sie mit den enormen Investitions- und Folgekosten für einen Tiefwasserhafen und dessen Anbindung an das Hinterland mit Straße, Schiene und Binnenschifffahrtswege nicht belastet werden. Nach privatwirtschaftlichem Kalkül würde sich der Hafenbau für einen Investor nicht lohnen.“

Für Rohde vom BUND ist zudem die Relation zwischen der Investitionssumme und den dadurch geschaffenen Arbeitsplätzen ein Skandal. Am CT III in Bremerhaven arbeiten derzeit noch 300 Leute. Aufgrund der technischen Entwicklung werden am CT IV weniger arbeiten, und an den Investitionen, die dafür geplant sind, zahlt das Land Bremen bis in die Mitte dieses Jahrhunderts ab. Auch unter Naturschutz-Gesichtspunkten ist der Container-Hafenbau beispiellos: „So wenig Leute auf so viel Fläche!“ Die Euphorie, mit der dieses Hafenprojekt begleitet wird, zeige nur die „Ohnmacht der Allgemeininteressen“, die er in den Gewerkschaften und in den Naturschutzverbänden vertreten sieht.

Klar ist nur: Wenn es zu dem Tiefwasserhafen kommt, dann ist Schluss mit dem Hafenausbau in Bremerhaven (CT IV) und in Hamburg werde Altenwerder sich dann als Fehlinvestition erweisen. K.W.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen