: Albright friedlich in Pjöngjang
Entspannung im letzten Konflikt des Kalten Krieges. US-Raketenabwehrsystem soll dennoch installiert werden
WASHINGTON taz ■ Madeleine Albrights Besuch in Pjöngjang am heutigen Montag markiert einen Höhepunkt in einem fast 10-jährigen Prozess der Annäherung zwischen den Vereinigten Staaten und Nordkorea. Im November könnte ein Gipfelgespräch zwischen Bill Clinton und Kim Jong Il folgen. Formell befinden sich beide Staaten noch im Kriegszustand, doch lassen die Ereignisse der letzten Wochen auf Entspannung in einem der letzten unerledigten Konflikte des Kalten Kriegs hoffen. In Südkorea stehen einer hochgerüsteten nordkoreanischen 2-Millionen-Mann-Armee 38.000 US-Soldaten gegenüber.
„Was die Koreaner von Albright wollen, ist vor allem die Streichung Nordkoreas von der Liste terroristischer Staaten“, meint Nicholas Eberstadt, Korea-Experte am American Heritage Institute, im Gespräch mit der taz. „Nur so können amerikanische Vertreter bei Weltwährungsfonds und Asiatischer Entwicklungsbank davon entbunden werden, sich gegen Kredite an Nordkorea zu stellen.“
Das Ende des Kalten Kriegs hatte Bewegung in den erstarrten Konflikt auf der koreanischen Halbinsel gebracht. 1992 zog Clintons Vorgänger Bush taktische Atomwaffen aus Südkorea und von der amerikanischen Pazifikflotte ab. Mit der Wahl Kim Dae Jungs, des diesjährigen Friedensnobelpreisträgers, zum Präsidenten endete dann in Südkorea die Situation, in der ein undemokratisches und korruptes Regime die Konfrontation mit Nordkorea zur eigenen Legitimierung brauchte.
Um die Abrüstung – Nordkorea besaß seit den 60er-Jahren ein eigenes Atomwaffenprogramm – gab es während der 90er-Jahre hektische diplomatische Anstrengungen, bis die USA 1994 ein Abkommen mit Nordkorea über das Einfrieren des Atomprogramms erzielten – im Gegenzug für die allmähliche Lockerung der amerikanischen Wirtschaftssanktionen. „Die Koreaner konnten nie sicher sein, dass die Amerikaner nicht am Ende ihre Schwäche ausnutzen würden, um das Land in den Ruin zu treiben“, erklärt Selig Harrison, Korea-Fachmann bei der Century Foundation. „Der Start der nordkoreanischen Taepodong-Rakete im Sommer 1998 war ein Versuch, die Amerikaner an ihre Verpflichtungen zu erinnern.“
In den Vereinigten Staaten blieb die Annäherung umstritten. Clinton schickte seinen ehemaligen Verteidigungsminister William Perry nach Pjöngjang, der in langwierigen Verhandlungen erreichte, dass Nordkorea weitere Tests sowie den Export von Raketentechnologie aussetzte, der Start der koreanischen Langstreckenrakete führte aber auch zu einer Neubelebung der Diskussion um ein US-Raketenabwehrsystem. „Mit ihrem Waffenprogramm handeln sie uns Konzessionen ab“, sagt Nicholas Eberstadt. „Taktisch ist das koreanische Vorgehen brillant, strategisch aber haben die Nordkoreaner keine Alternative zu ihrem Steinzeitsozialismus. Clintons Reise ist verfrüht und eher ein Versuch, mit einem außenpolitischen Paukenschlag aus dem Amt zu gehen.“
Letztlich dürfte die Entwicklung des koreanisch-amerikanischen Verhältnisses jedoch in der Diskussion um die Raketenabwehr keine entscheidende Rolle spielen: „Beim Stand der technischen Entwicklung und dem amerikanischen Bedürfnis nach Schutz vor potentiellen feindlichen Raketen sehe ich kein Ende der Debatte“, erklärt Eberstadt. PETER TAUTFEST
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