: Teilsieg der Vernunft
Die Arabische Liga verurteilt Israel. Premier Barak setzt Friedensgespräche aus. Die Auseinandersetzungen in den Palästinensergebieten gehen weiter
KAIRO/JERUSALEM taz ■ Mit der erwarteten scharfen Verurteilung Israels ist am Sonntag der arabische Krisengipfel in Kairo zu Ende gegangen. In ihrer gemeinsamen Abschlusserklärung wiesen die 22 arabischen Staats- und Regierungschefs Israel die alleinige Verantwortung für die Eskalation der Gewalt in den Palästinensergebieten zu, betonten jedoch, am Friedensprozess festhalten zu wollen.
Israels Ministerpräsident Ehud Barak reagierte auf den Gipfel und die anhaltenden Unruhen in Gaza und dem Westjordanland in einer ersten Erklärung am Sonntag, in der er von einer „Auszeit“ spricht, die der „Neubewertung“ des Friedensprozesses dienen soll. Gleichzeitig nannte Regierungssprecher Nachman Schui die Resolution von Kairo jedoch einen „Sieg der Vernunft in der arabischen Welt“. Nach israelischen Zeitungsberichten sollen sich einige Minister des Kabinetts Barak gegen die Entscheidung des Ministerpräsidenten ausgesprochen haben.
Bereits während der Verhandlungen in Kairo war deutlich geworden, dass radikale Forderungen, etwa nach Abbruch aller diplomatischen Beziehungen zu Israel, keine Mehrheit finden würden. Der libysche Chefdelegierte Abdul Menaim al-Hauni hatte dies zum Anlass genommen, bereits am Samstag abzureisen. Neben der Aufforderung an Israel, alle Gewaltakte gegen die Palästinenser einzustellen, enthält das Schlussdokument von Kairo den Vorschlag, UN-Schutztruppen nach Palästina zu entsenden und nach dem Vorbild Ex-Jugoslawiens ein internationales Kriegsverbrechertribunal zur „Untersuchung der Massaker an Palästinensern und Libanesen“ einzurichten. Wichtigstes konkretes Ergebnis aus palästinensischer Sicht dürfte sein, dass die arabischen Länder zwei Hilfsfonds für Palästina auflegen wollen. 200 Millionen US-Dollar sollen den Hinterbliebenen von Opfern der Auseinandersetzungen zugute kommen, weitere 800 Millionen sind für die „Erhaltung der arabischen und muslimischen Identität Ostjerusalems“ gedacht.
Die gewaltsamen Auseinandersetzungen in den Palästinensergebieten, die am Freitagabend erneut eskalierten und am Samstag, der von radikalen palästinensischen Gruppen zum „Tag des Zorns“ erklärt worden war, einen Höhepunkt erreichten, hielten gestern an. Nach palästinensischen Angaben wurden im Laufe des Sonntags bei Gefechten mit der israelischen Armee nahe Hebron zwei Palästinenser getötet, am Eres-Grenzübergang nach Gaza soll ein 14-jähriger Junge von israelischen Soldaten erschossen worden sein. Ein 17-Jähriger starb im Gaza-Streifen. Seit Beginn der Unruhen vor etwa drei Wochen sind mehr als 130 Menschen getötet worden, überwiegend Palästinenser. Die Zahl der Verletzten geht in die Tausende.
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