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Lange Haftdauer setzt Flüchtlingen am meisten zu

Im Innenausschuss kritisierten gestern Sachverständige die Situation in den Abschiebegefängnissen. Innenverwaltung sieht kaum Handlungsbedarf

Scharfe Kritik an der Situation in den Abschiebegefängnissen gab es gestern im parlamentarischen Innenausschuss. Auf Antrag der PDS waren vier Sachverständige geladen, die in den beiden Abschiebegefängnissen in Tiergarten und Köpenick Häftlinge betreuen. Zu Grunde lag außerdem der Bericht des Beirates für Abschiebegewahrsam. Der Beirat setzt sich aus Mitarbeitern von Wohlfahrtsverbänden zusammen und soll sich für die Interessen der Häftlinge engagieren.

Der Vorsitzende des Beirats, Hartmuth Horstkotte, sagte, nicht die Haftbedingungen, sondern die Haftdauer sei für die Flüchtlinge besonders problematisch. So liegt die durchschnittliche Verweildauer nach Angaben der Senatsverwaltung für Inneres bei 21 Tagen. Fünf Prozent der Häftlinge waren länger als 100 Tage im Gewahrsam. Die gesetzliche Höchstgrenze liegt bei 18 Monaten. 1999 waren insgesamt 6.727 Menschen inhaftiert, die abgeschoben werden sollten.

Gerade für Jugendliche sei eine lange Haftdauer eine besonders schwere Belastung, sagte Horstkotte. Flüchtlinge unter 18 Jahren sollten nur „in Ausnahmefällen“ in Haft genommen werden, forderte er. Er kritisierte den mangelnden Zugang der Insassen zu professioneller rechtlicher Hilfe und die Einzelhaft, die immer wieder als Sanktion verhängt werde.

Härtere Worte fand Gerhard Leo von der Initiative gegen Abschiebehaft. Er plädierte dafür, dass die Haft ersatzlos abgeschafft werde. Immer mehr Flüchtlinge würden die Nahrung verweigern oder Suizidversuche unternehmen, weil sie ihre Situation als ausweglos empfänden. Im vergangenen Jahr versuchten 12 Menschen sich umzubringen, fast 230 traten in einen Hungerstreik, der durchschnittlich 14 Tage dauerte.

Innensenator Eckart Werthebach (CDU) betonte im Ausschuss, dass die Tätigkeit des Beirats wichtig sei. Die Innenverwaltung kommt der Kritik des Beirats jedoch wenig entgegen. So heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme, dass eine Aussetzung einer Abschiebung nicht in Betracht komme, wenn der Betroffene mit einer Selbsttötung drohe.

Die Innenverwaltung will auch die Praxis der Ausländerbehörde und des Amtsgerichts Schöneberg nicht überprüfen, die für die Einweisung in die Abschiebegewahrsame zuständig sind. Genau das forderte gestern der innenpolitische Sprecher der Grünen, Wolfgang Wieland. In über 90 Prozent aller Fälle wird einer Einweisung in die Abschiebegefängnisse stattgegeben.

Die Gründe für die teilweise sehr lange Haftdauer liegen nach Ansicht der Innenverwaltung bei den Flüchtlingen selbst. Sie würden nicht mit den Behörden bei der Passbeschaffung, die für die Ausreise nötig ist, kooperieren. Oft seien aber auch die Auslandsvertretungen schuld, die monatelang bräuchten, um Papiere auszustellen. So sitzen zum Beispiel UkrainerInnen unverhältnismäßig lange in Haft, weil die Botschaften keine Pässe ausstellen.

Zu einer Aussprache unter den Abgeordneten kam es gestern nicht. Sie soll bei der nächsten Sitzung nachgeholt werden.

JULIA NAUMANN

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