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Aufruf zum Genozid mit Feder und Mikrofon

In Arusha läuft vor dem UN-Tribunal der Prozess gegen drei ruandische Journalisten. Sie sollen für die Massaker an den Tutsi mitverantwortlich sein

ARUSHA taz ■ Die Anklage war der Ansicht, dass sie den „Intellektuellen Hohepriester des Hutu-Rassismus“ sowie den „Chefverdreher der Wahrheit“ vor sich habe. Am Montag begann der so genannte Hetzmedien-Prozesses vor dem Internationalen Völkermordtribunal für Ruanda in Arusha. Die drei Journalisten Ferdinand Nahimana, Jean Bosco Barayagwiza und Hassan Ngeze sind der Verschwörung und Aufhetzung zum Völkermord sowie weiterer schwerer Verbrechen angeklagt. Zwei von ihnen, Ngeze und der „Chefverdreher“ Barayagwiza blieben dem Prozess fern.

Barayagwiza und Nahimana gelten als Chefideologen des Hutu-Extremismus. Alle drei Angeklagten gehörten der radikalen Hutu-Partei CDR (Koalition zur Verteidigung der Demokratie) an. Barayagwiza war ihr Sprecher. Nach der Ermordung des ruandischen Präsidenten Juvenal Habyarimana im April 1994, die den Auftakt zum Völkermord bildete, hatte Barayagwiza in der Interimsregierung einen hohen Posten im Außenministerium inne. Nahimana leitete bis 1992 die staatliche Informationsbehörde. Er musste gehen, weil das Staatsradio geholfen hatte, ein Massaker zu inszenieren. Dann wurde er Direktor des für die Ausführung des Genozids entscheidenden, 1993 gegründeten privaten Radiosenders RTLM.

Hassan Ngeze war Chefredakteur der Zeitschrift Kangura, Sprachrohr der radikalsten Fraktion der Hutu-Extremisten, die aber auch von Präsident Habyarimana und seiner mächtigen Frau Agathe gefördert wurde.

Der Chefankläger des Arusha-Tribunals, Bernard Muna, appellierte in seiner Eröffnungsrede an die „Menschheit“, die Angeklagten zu verurteilen, da „sie ein eminent wichtiger Bestandteil des Völkermords“ gewesen seien. „Hunderte von Radiostunden und Artikeln beweisen, dass der Genozid bis ins Kleinste organisiert war.“ Der Prozess sei eine einmalige Gelegenheit, erstmals gesetzlich festzuschreiben, „wo die Grenzen der Meinungsfreiheit für Journalisten liegen“.

Dass Nahimana und Barayagwiza die volle Verantwortung für RTLM trugen, zeigte sich für den Staatsanwalt daran, dass sie für das Konto des Senders verantwortlich zeichneten und dessen Interessen gegenüber dem Informationsministerium vertraten.

RTLMs Wirkung in Ruanda sei um so fataler gewesen, weil das Land eine lange Tradition mündlicher Überlieferung habe. Die Regierung hatte während des Völkermordes Radios an die Bevölkerung verteilt, und RTLM sendete Namen von Personen oder Orten mit der Botschaft, dass die Menschen noch umgebracht werden müssten.

Hassan Ngeze blieb dem Prozess fern, weil, wie sein Anwalt sagte, das Gericht die Ausgaben von Kangura nicht aus dem Ruandischen übersetzt hatte. Barayagwiza teilte in einem Brief mit, dass er nicht „an einem Showprozess“ teilnehmen wolle. Da die „Tutsi-Diktatur in Kigali“ großen Einfluss auf das Tribunal habe, könne er nicht auf ein faires Verfahren hoffen. PETER BÖHM

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