piwik no script img

Hessens neuer Spendenmann

von KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

Riebel also statt Jung. Ein neuer Chef amtiert seit gut sechs Wochen in in der hessischen Staatskanzlei. Sein Vorgänger Franz Josef Jung war wegen ungeschickter kleiner Lügen im Zusammenhang mit der CDU-Spendenaffäre selbst vom begnadeten Aussitzer Roland Koch nicht mehr zu halten. Wer ist der neue Mann in der Machtzentrale des Ministenpräsidenten Koch?

Der 54-jährige Jochen Riebel ist ein politisches Ziehkind der Familie Koch. In den 70er-Jahren war der gebürtige Rheinhesse und gelernte Luftwaffenoffizier ein engagiertes Mitglied der Jungen Union in Rheinland-Pfalz. Die frühen jungen Wilden um Jochen Riebel und Hans-Otto Wilhelm nannten die Politik von Ministerpräsident und Landesparteichef Helmut Kohl „altbacken“. Sie forderten mehr Mitspracherechte für die jüngeren Christdemokraten. Oder die Aufhebung der Personalunion zwischen Parteivorsitz und Ministerpräsidentenamt. Und Riebel profilierte sich zusätzlich: mit spitzen Bemerkungen gegen Ausländer und auch gegen Feministinnen. Das erregte – parteiintern – Aufmerksamkeit, auch auf der anderen Rheinseite in Hessen. Händeringend wurden dort nach einem überraschenden Kommunalwahlsieg der Union 1977 Bürgermeister und Landräte gesucht. Und die einflussreichen christdemokratischen Mitglieder der Familie Koch aus Eschborn, die „Königsmacher“ in der Stadt und im ganzen Landkreis Main-Taunus, protegierten plötzlich einen gewissen Jochen Riebel, zu der Zeit Dezernent in der Kreisverwaltung von Alzey, zuvor Verwaltungsbeamter im Polizeipräsidium in Mainz. Die CDU in Eschborn war schnell überredet. Riebel wurde im Mai 1979 vom Stadtparlament zum Bürgermeister von Eschborn mit seinen 18.000 Einwohnern gewählt.

Hilfe vom alten Krokodil

Organisiert hatte das Karl-Heinz Koch (76), das „alte Krokodil“. So jedenfalls nannte ihn Joschka Fischer 1987 – wegen der „politischen Menschenfresserei“ des Alten und der „Krokodilstränen“ danach. Koch senior war da gerade Justizminister des Landes unter Ministerpräsident Walter Wallmann geworden. Über ein Landtagsmandat verfügte der alte Koch schon lange. Und dem Kreistag in Hofheim stand er zwanzig Jahre lang vor. Sohn Roland führte da schon die Fraktion im Kreistag; später dann auch die im Landtag. Und natürlich saßen Koch und Koch auch in der Stadtverordnetenversammlung von Eschborn; der Senior war Stadtverordnetenvorsteher. Gemeinsam betrieben sie in Eschborn eine renommierte Anwaltskanzlei. „Mafiöse Strukturen“ seien das, klagen die Opponenten im Rathaus von Eschborn. Aber nur hinter vorgehaltener Hand.

Jochen Riebel – Bürgermeister in Eschborn von Kochs Gnaden also. Doch der gelernte Jurist Riebel wollte mehr. Im Jahr 1983 kandidierte Riebel – protegiert vom damaligen Ministerpräsidenten, Bernhard Vogel – für das Oberbürgermeisteramt in Frankenthal in Rheinland-Pfalz – und wurde gewählt. Gedankt hat er das Vogel nicht. Zusammen mit seinem alten Gefährten aus der Jungen Union, Hans-Otto „Brutus“ Wilhelm, stürzte er nach erfolgreicher Aufwiegelung fast aller Kreisverbände auf einem CDU-Parteitag im November 1988 den Landesvorsitzenden Vogel. Wilhelm übernahm den Parteivorsitz, Vogel trat umgehend auch vom Amt des Ministerpräsidenten zurück. Vogel sieht noch heute rot, wenn der Name Riebel erwähnt wird. Bei der nächsten Landtagswahl verlor die CDU mit ihrem Vorsitzenden Wilhelm, der Riebel schon einen Ministerposten versprochen hatte, die Macht an den neuen Ministerpräsidenten Rudolf Scharping (SPD). Wilhelm verschwand in der Versenkung und Riebel mit ihm.

Wie schön, dass sich die Familie Koch schon wieder gemeldet hatte. Die konnte Riebel 1989 gerade gut gebrauchen: als verschwiegenen Landrat im Main-Taunus-Kreis. Der alte Landrat Löwenberg (CDU), auch ein Parteigänger der Familie Koch, war amtsmüde. Doch die Union verfügte damals nicht über die absolute Mehrheit der Kreistagsmandate. Es musste paktiert werden: mit den Sozialdemokraten im Main-Taunus-Kreis und der CDU im rheinland-pfälzischen Frankenthal. Wenigstens zehn Sozialdemokratenstimmten bei der Landratswahl in Hofheim für Riebel. In Frankenthal hatten zuvor wenigstens vier CDU-Abgeordnete überraschend einen rein rechnerisch eigentlich chancenlosen SPD-Mann mit zum neuen Oberbürgermeister gewählt. Doch in Frankenthal waren nicht alle bereit, den Deal klaglos hinzunehmen. „Stimmenkauf“ warfen einige CDU-Stadtverordneten ihrem ehemaligen Oberbürgermeister vor. Riebel war also der Familie Koch verpflichtet. Nie kam auch nur ein Wort über seine Lippen, wenn die grüne Opposition im Kreistag die Nennung der Investoren forderte, die den Bau des Kreishauses finanzierten und sich damit eine „fette Leibrente“ (Grüne) sicherten. Unter dem alten Landrat Löwenberg 1988 für knapp 60 Millionen Mark von einer Investorengemeinschaft (GbR) errichtet und danach vom Kreis angemietet, kostet der Prachtbau hoch über der Altstadt den Kreis noch bis zum Jahre 2005 – – über einen dynamischen Mietvertrag – bis zu 12 Millionen Mark jährlich Miete. Orientiert an einer durchschnittlichen Mietzahlung von neun Millionen Mark per annum, so rechnete es der grüne Fraktionsvorsitzende „Albi“ Kündiger vor, habe der Landkreis nach Ablauf der siebzehn Mietjahre mehr als 150 Millionen Mark an die Investorengruppe bezahlt. Doch damit noch nicht genug: Im Jahre 2005 muss der Landkreis das Kreishaus dann auch noch kaufen – zum gängigen Marktpreis (heute exakt 118.883.600 Mark). Zu ähnlich abenteuerlichen Konditionen wollte Riebel noch einen Anbau an das Kreishaus zur Unterbringung des Rhein-Main-Verkehrsverbundes (RMV) errichten lassen – finanziert von derselben Investorengemeinschaft. Ein Vorhaben, das die Grünen im Kreistag durch die Mobilisierung der kritischen Öffentlichkeit verhindern konnten. Bis heute kennen nur die Eingeweihten die Namen der Investoren; Strohmann der Gruppe war der Prokurist der Bayerischen Hypothekenbank, Ottmar Kehrer.

Als die Staatsanwaltschaft in Frankfurt Anfang der 90er-Jahre im Main-Taunus-Kreis und im Hochtaunuskreis auf ein ganzes Geflecht von Beziehungen zwischen Kommunalpolitikern, ihren Familienangehörigen und ihren Anwälten auf der einen Seite und Ingenieurbüros und Bauunternehmen auf der anderen stieß und hunderte von Ermittlungsverfahren eingeleitet wurden, tauchte der Name Riebel im Zusammenhang mit dem größten Bestechungsskandal in den beiden Kreisen auf: der Affäre um das Ingenieurbüro Wolfgang Niklas. Riebel stand auf einer „Gabenliste“, die der Oberingenieur der Firma, Erhard Wenzel, 1992 der Staatsanwaltschaft übergeben hatte. Der Landrat bekam immer zu Weihnachten Geschenke im Wert von bis zu 500 Mark. Der Frankfurter Korruptions-Staatsanwalt Hubert Hardt interessierte sich nun auch für Riebel. Doch dann beging der Hauptbelastungszeuge in der U-Haft Selbstmord. Ein Ermittlungsverfahren gegen Riebel wurde nicht eröffnet.

Geschenke vom Autohaus

Der taz liegt allerdings noch eine andere „Spendenliste“ vor, auf der auch der Name Riebel steht. Als Bürgermeister von Eschborn war er offenbar auch Empfänger von „Weihnachtspräsenten“ des inzwischen in Konkurs gegangenen Autohauses Hennig Kammler GmbH. Prominenten in der Region – auch der Name Roland Koch steht auf der Liste – sollen von Kammler auch mehr als nur großzügige Preisnachlässe beim Kauf von Autos gewährt worden sein, wie Oberstaatsanwalt Hardt seinerzeit gegenüber der taz erklärte. Hat sich Riebel dafür erkenntlich gezeigt?

Kammler jedenfalls wurde Mitglied im Magistrat von Eschborn. Im Konkursverfahren gegen Kammler 1993 kam dann heraus, dass der gute Bekannte von Koch und Riebel sein Unternehmen seit mehr als zwanzig Jahren mit Luftbuchungen über Wasser hielt. Kammler: ein Betrüger. Riebel: der Blamierte.

Als Landrat holte ihn 1995 eine andere Geschichte ein. Süffisant hatte der Sparkassen- und Giroverband Hessen-Thüringen – nach Auseinandersetzungen mit Riebel – erklärt, dass der Landrat auf Kosten der Taunussparkasse 1992 nach Madrid und 1993 nach Paris gereist sei: mit Ehefrau. Riebel war damals – als Landrat – der Verwaltungsratsvorsitzende dieser drittgrößten hessischen Sparkasse.

Spendenempfänger Riebel ist jetzt also Staatsminister: mitten in der Spendenaffäre der Union. Und wenn Koch wirklich einmal Kanzler wird? Wird Riebel sein Kanzleramtsminister.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen