: Überleben im Sperrgebiet
■ Anlaufstelle für minderjährige Prostituierte wird 15 Jahre alt
Dass es das „Café Sperrgebiet“ seit 15 Jahren gibt, ist einerseits ein Grund zum Feiern, andererseits auch gerade nicht. Denn es zeugt von den Lebensbedingungen vieler Mädchen und junger Frauen in St. Georg und davon, dass sie auf eine tägliche Überlebenshilfe angewiesen sind. „Ohne euch wären sehr viele von uns wohl so gut wie verloren“, hat dann auch eine anlässlich des gestrigen Jubiläums an eine Wand der Anlaufstelle für minderjährige Prostituierte gepinnt.
Wer hier herkommt, hat sonst in der Regel nichts. Die Mädchen sind im Schnitt zwischen 17 und 24, die jüngste ist elf Jahre alt. Sie leben auf der Straße, nehmen harte Drogen und blicken fast ausnahmslos auf eine langjährige Missbrauchsgeschichte zurück. Leiterin Mariam Schrank hat gestern den klassischen Werdegang skizziert: Die Flucht vor dem Elternhaus führt eines Tages an den Hauptbahnhof, die Perspektivlosigkeit wird mit berauschenden Stoffen übertüncht, und plötzlich geht das mit der sexuellen Ausbeutung des jungen Körpers dann wieder von vorne los.
„Die Freier, die nach St. Georg kommen, suchen bewusst die Mädchen in ihrem Elend auf“, sagt Schrank. „Sie wissen, dass sie besonders wehrlos und erpressbar sind“. Gewalt ist deshalb auch eines der Themen, das die Mädchen in ihren kurzen Verschnaufpausen im Café am meisten beschäftigt.
Das „Café Sperrgebiet“ bietet praktische Überlebenshilfe: Essen und Trinken, Duschen und Sofas zum Ausruhen. Darüber hinaus können die KlientInnen sich über Aids-Prävention beraten lassen, über Austiegsmöglichkeiten sprechen oder eine Ärztin aufsuchen.
Pro Öffnungstag kommen rund 25 Mädchen. Im „Sperrgebiet“ arbeiten auch Streetworkerinnen, die Jugendliche auf der Straße aufsuchen. Im Schnitt, so Leiterin Schrank, nehmen sie im Monat 15 Neukontakte auf. 1999 haben 370 junge Prostituierte das Angebot genutzt.
„Wie kann ein so junges Mädchen schon anschaffen gehen?“ ist eine Frage, auf die die Mitarbeiterinnen oft eine Antwort geben müssen. Wie sie lautet, stand gestern auf einer Wand geschrieben: „Was sind das für Männer, die sich solche Mädchen kaufen?“ Elke Spanner
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