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Lesevergnügen, nicht seicht

■ Zwei Journalisten bieten Zeitgeschichte aus schwuler Sicht

Der Buchladen Männerschwarm präsentiert morgen Abend Zeitgeschichte aus schwuler Sicht: Die Journalisten Hans Stempel und Martin Ripkens stellen ihre gemeinsame Autobiographie Das Glück ist kein Haustier vor. Ihre langjährige Lebens- und Arbeitsgemeinschaft datiert aus dem Jahre 1957, als sie sich auf einer Düsseldorfer Klappe kennen lernten. Der damals 32jährige Hans Stempel holte den neuneinhalb Jahre jüngeren Ripkens an das linke Wochenblatt Deutsche Volkszeitung, in deren Redaktion er tätig war.

In der repressiven Atmosphäre der Adenauer-Zeit konnte das nicht lange gut gehen: Der Herausgeber, der Kommunist Fritz Hollstein, bat die beiden eines Tages in sein Büro und teilte ihnen mit, er habe zwar nichts gegen Homosexuelle, aber mit ihrem strafbaren Tun würden sie die Zeitung politischer Erpress-barkeit aussetzen. Stempel und Ripkens durften jedoch als „feste“ freie Mitarbeiter weiter schreiben. Während der folgenden Jahrzehnte waren sie als Filmjournalisten tätig. In den 60er und 70er Jahren arbeiteten sie außerdem als Berater für Leo Kirch, der damals begann, sein Medienreich aufzubauen – eine Tätigkeit, die sie durchaus selbstkritisch betrachten.

Das Buch ist der Lebensbericht zweier Schwuler in vergleichsweise privilegierter Stellung, was den Autoren auch bewusst ist. Während zum Beispiel LehrerInnen noch in den 70er Jahren Berufsverbot drohte, wenn ihre Homosexualität bekannt wurde, mussten Stempel und Ripkens in den Intellektuellen- und KünstlerInnenkreisen, in denen sie verkehrten, sowie als Freiberufler ihr Schwulsein nur selten verstecken. Den polizeilichen Repressalien, die vor der Reform des Paragrafen 175 im Jahr 1969 eine alltägliche Bedrohung darstellten, sind sie mit Glück und Geschick immer entkommen.

Stempels und Ripkens' Autobiographie bildet ein leichtes, aber nicht seichtes Lesevergnügen. Zwei belesene Kulturhuschen, durch die kritische Intellektuellenszene der 50er und 60er Jahre geprägt, erzählen charmant von ihren literarischen und filmischen Vorlieben, Bekanntschaften mit Journa-listInnen, Filmleuten und KulturmanagerInnen sowie von sexuellen Abenteuern. Nicht alles ist für Außenstehende wirklich spannend. Immer wieder jedoch finden sich exemplarische Details bundesre-publikanischer Kulturgeschichte. Stempel und Ripkens sind zudem dafür bekannt, dass sie live genauso unterhaltsam zu plaudern verstehen wie in ihrem Buch; die Präsentation dürfte also gewiss nicht langweilig werden. Jakob Michelsen

Hans Stempel/Martin Ripkens: Das Glück ist kein Haustier. Eine Lebensreise, München: dtv 2000, 256 S., 28 Mark;

Buchpräsentation 7.November, 20 Uhr, Buchladen Männerschwarm, Neuer Pferdemarkt 32

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