: „So kommt man miteinander ins Gespräch“
Öko-Unternehmer suchen verstärkt Kapital. Derzeit kommt Geld aus der ökologisch sozialisierten Erbengeneration in den Markt, aber auch Großanleger schichten um und ziehen Kapital aus der alten Ökonomie ab. Wir sprachen mit Elmar Sing, Vorstand des Unternehmensverbandes UnternehmensGrün
taz: Welche Möglichkeiten zur Finanzierung gibt es für ökologisch arbeitende Betriebe?
Elmar Sing: Sie haben genau dieselben Möglichkeiten wie jene, die nicht ökologisch arbeiten. Sie beginnen mit Eigenkapital, von dessen Höhe abhängt, wie viel Fremdkapital man beispielsweise von Banken bekommt. Der Unternehmer steckt also eigenes Bar- oder Sachvermögen in seinen Betrieb, fragt im Bekanntenkreis, bindet Geschäftspartner.
Wie viel Eigenkapital braucht ein Betrieb, um für Banken interessant zu sein?
Kleine Unternehmen bis zu zehn Millionen Mark Umsatz haben durchschnittlich eine Eigenkapitalquote von 5,6 Prozent. Mittlere Unternehmen bis zu 100 Millionen 14,7 Prozent, große Unternehmen über 100 Millionen Mark Umsatz 25,7 Prozent. Unternehmen mit weniger Eigenkapital haben eine schlechte Bonitätsquote. Dann gibt es Probleme, Kredite oder auch öffentliche Fördermittel zu bekommen.
Wie viele Betriebe haben die Möglichkeit, mit Aktien Geld zu akquirieren?
Maximal ein Prozent aller Unternehmen können sich über den Kapitalmarkt finanzieren. 99 Prozent müssen sich klassisch finanzieren. Gerade im ökologischen Bereich hat man es viel mit kleinen und Kleinstbetrieben zu tun, die nie eine AG werden können.
Wie hoch schätzen Sie den Anteil an Öko-Betrieben bei den deutschen Unternehmen?
Reine Öko-Betriebe maximal fünf Prozent, Betriebe mit Öko-Produkten mehr als 50 Prozent.
Und wie viele Öko-Unternehmen haben die Basis, an die Börse zu gehen?
Weniger als fünf Prozent. Schätzungsweise 10 bis 15 Prozent könnten sich als Vorstufe zum Börsengang in eine kleine AG umwandeln, so dass sich mittelfristig die Quote der Unternehmen, die an die Börse gehen, vielleicht auf zehn Prozent erhöht.
Diese „AG als Vorstufe“ wird nicht an der Börse gehandelt. Sollte eine Firma dies trotzdem ins Auge fassen?
Ja, für viele Unternehmen bietet es sich an, als Probelauf eine kleine AG zu gründen, selbst wenn sie zunächst gar nicht auf Investorensuche sind. Damit können sie üben, denn man hat schon mit allen Problemen zu kämpfen, die ein Börsengang später mit sich bringt: Publizitätspflicht, eine bestimmte Form der Rechnungslegung und vieles mehr. Wer dann Investoren findet, hat die notwendige Vorgeschichte, um an die Börse zu gehen: Investoren „adeln“, damit kann man werben.
Außerbörsliche AGs verkaufen nur Direktbeteiligungen. Wie kommt man da heran?
Beteiligungsgesellschaften suchen nach Investoren und bieten Anlagemöglichkeiten; sie makeln zwischen Betrieb und Investor. Auch Banken, Kammern und Verbände bieten Handelsplätze.
Und was tun Betriebe, wenn sie Investoren suchen?
Sie lassen von erfahrenen Unternehmensberatern einen Businessplan ausarbeiten, der für Investoren attraktiv ist. Damit gehen sie dann auf Akquise und stellen sich bei Beteiligungsgesellschaften oder Investoren direkt vor. Einige bieten sich auch schon im Internet an, was langsam auch zu einer Konkurrenz für Makler wird. Investoren steigen ein, wenn sie etwas interessant finden und 20 bis 30 Prozent Rendite erwarten können.
Investoren können ihre Direktbeteiligungen mitunter nur schwer wieder loswerden. Der Handel mit außerbörslichen Aktien ist nicht so rege wie auf dem Parkett.
Das müssen AGs früh bedenken und überlegen, welche Art Papier sie ausgeben: kleine und viele Aktien oder große und wenige. Je mehr Aktien es gibt, desto größer ist die Chance, dass sie frei gehandelt werden, und desto interessanter werden sie für Investoren, wenn die Rendite stimmt.
Was machen Unternehmen mit dem neuen Kapital?
Sie sammeln Geld für konkrete Pläne, die finanziert werden sollen, beispielsweise für ein Patent, um es zur Marktreife zu entwickeln. Gesucht wird auch Kapital zur Expansion: Das Unternehmen hat ein erfolgreiches Produkt, und man will damit voll in den Markt expandieren, derzeit gern über die Grenzen Deutschlands hinaus in den europäischen Markt.
Ist das akquirierte Kapital neuer grüner Firmen tatsächlich „frisches“ Geld, das dem Markt von Aktieneinsteigern zufließt, oder kommt es zu Umschichtungen aus dem herkömmlichen in den ökologischen Bereich?
Es ist derzeit eher „neues“ Geld auf dem Markt, vor allem aus der ökologisch sozialisierten Erbengeneration. Doch nach dem jüngsten Absturz des Neuen Marktes kommt es auch zu Umschichtungen aus dem herkömmlichen Bereich. Wenn Shell prognostiziert, dass 2050 die Hälfte des gesamten Weltenergiebedarfs regenerativ gedeckt wird, beflügeln solche Äußerungen natürlich die Fantasie an der Börse.
Bewirkt, wer sein Geld aus der alten Ökonomie umschichtet in die neue ökologische Ökonomie – beispielsweise von Shell Oil in Shell Solar –, mehr als der Neuinvestor?
Den größten Effekt bewirken Großanleger. Beispiel Allianz: Der Konzern hat 750 Milliarden Mark potenzielles Anlagekapital. Wenn er nur einen Bruchteil davon ökologisch anlegte, wäre einiges gewonnen. Viele Großanleger, zum Beispiel Pensionsfonds, ziehen im Moment tatsächlich Geld aus der alten Ökonomie ab und schichten es um; schließlich hat selbst Bill Gates Gerüchten zufolge Aktien der Solar World gekauft.
Welches Profil muss eine Firma haben, um an der Börse erfolgreich zu sein?
Sobald sie eine AG ist, hat sie nachgewiesen, dass sie ein professionelles Management organisieren kann. Das steigert den Unternehmenswert, was mit Bilanzen zu belegen ist. Das Unternehmen selbst muss eine nachvollziehbare Geschäftspolitik betreiben, zudem eine gute Marktposition haben, und es muss zeigen, dass sein hohes Niveau über eine längere Zeit haltbar ist.
Schließlich muss der Unternehmer selbst eine gute „Performance“ liefern. Er muss eine überzeugungsstarke Persönlichkeit sein und auch sicher auftreten können, wenn eine Ad-hoc-Meldung mal nicht so positiv ist.
Die derzeit erfolgreichen Öko-Unternehmen haben alle eine Gallionsfigur, die auch in der Öffentlichkeit was hermacht: Asbeck, Salvamoser, Platow – um nur drei zu nennen. Ist der Unternehmer-„Typ“ schon die halbe Miete?
Das ist an der Börse tatsächlich bares Geld. Der Allianz-Konzern kann auf persönliche Integrität verzichten, denn dahinter steht ein Massenmarkt. Solar World und Solar-Fabrik aber wären ohne Asbeck und Salvamoser beide nicht das, was sie sind. Die Firmen hätten nicht die Hälfte des Wertes, denn sie können nicht auf Masse oder Geschichte verweisen.
Bislang gehen Öko-Unternehmer Klinken putzen, jubeln medienpräsent über jeden Kleinauftrag. Werden auch da bald Konzernstrukturen entstehen, die auf die personelle Integrität und Identifikation verzichten?
Es wird da bald eine Normalisierung geben. Wir werden irgendwann vor dem Problem stehen, ob nun Solar World noch „grün“ ist oder schon grau. Aus strategischen Allianzen werden Kooperationen – ein normales ökonomisches Verhalten, nur auf einem anderen Niveau. Je mehr Geld in den Betrieben steckt, desto weniger Persönlichkeit wird benötigt.
Die Mehrzahl ökologischer Betriebe ist nicht börsennotiert und akquiriert trotzdem Kapital. Mit Erfolg?
Ja, gerade über Beteiligungsgesellschaften und Investoren, die sauberes Geld anlegen wollen. Doch sind kleine Betriebe das oft nicht gewohnt. Sie haben oft eine schlechte Performance und expandieren allein mit Bordmitteln. Sie haben keinen vernünftigen Businessplan, die Aktenlage ist rudimentär, der Auftritt ist altbacken und sie wissen nicht, wie man Anleger hofiert.
Sie schlagen vor, einen „Green Tuesday“ einzurichten. Was genau ist das?
Analog zum „First Tuesday“ des Neuen Marktes – junge IT-Unternehmen, Anleger und Berater treffen sich zu einer lockeren Zusammenkunft mit „Party-Charakter“ –, könnte man etwas Vergleichbares für den Öko-Sektor einrichten: Man bringt Leute zusammen. Die einen haben Geld, die anderen brauchen es. Beide Seiten können sich testen und kennen lernen. So kommt man ins Gespräch – ein Jour Fix an der Börse für Öko-Investment.
INTERVIEW: ANDREAS LOHSE
Zitate:„Gerade im Öko-Bereich hat man es oft mit kleinen und Kleinstbetrieben zu tun, die nie eine AG werden.“„Der Unternehmer muss eine gute Performance bieten und eine Persönlichkeit sein.“
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