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Linke zerfleischt sich

Die Kandidatur des Grünen-Politikers Ralph Nader bringt vor allem Al Gores liberale Anhängerschaft in Rage

So viel Zorn war nie: „Wie eine Abrissbirne führt er seinen Wahlkampf und verrät dabei alle Werte, für die er einzutreten vorgibt“, heißt es in einem offenen Brief, den neben anderen auch der renommierte Historiker der Sechzigerjahre, Todd Gitlin, unterschieb. „Nader und seine Anhänger verfolgen ein bewährtes Muster sektiererischer Idiotie“, wettert der Publizist Jacob Weisberg im Online-Magazin Slate.

Die Rede ist nicht etwa vom nationalistischen Demagogen Pat Buchanan, sondern vom schmächtigen, grauhaarigen Ralph Nader, dem Präsidentschaftskandidaten der Grünen. Nader argumentiere, meint Weisberg, ähnlich wie die deutschen Kommunisten Anfang der Dreißigerjahre, als sie die Sozialdemokraten zu „Sozialfaschisten“ erklärten und damit für gefährlicher als die Nationalsozialisten, weil sie ihre angeblich wahren kapitalistischen Absichten hinter einer sozialen Programmatik verbargen. Diese Spaltung der Arbeiterschaft hat unter anderem zum Sieg der NSDAP beigetragen.

Von den Demokraten als Sozialfaschisten, die schlimmer seien als Republikaner, hat Nader natürlich nie gesprochen, wohl aber davon, dass die Dinge in Amerika schlechter werden müssen, bevor sie besser werden können, und dass es deshalb nicht das Schlimmste wäre, wenn Bush statt Gore gewählt wird.

Geht in der Regel die Begeisterung für Kandidaten dritter Parteien in dem Maße zurück, in dem der Wahltag näher rückt, spielt sich dieses Jahr in den USA das Gegenteil ab. Gegen Ende des Wahlkampfs wurde Ralph Nader stärker. In der vergangenen Woche schätzten die Grünen, auf unterschiedliche Umfrageergebnisse gestützt, dass Nader in mehreren Staaten zwischen sieben und zehn Prozent der Stimmen erringen könnte, im Bundesstaat Alaska gar bis zu siebzehn Prozent.

Die Stimmen für Nader gehen auf Kosten Gores – so die Argumente einer Gruppe von Grünen, Umweltschützern und ehemaligen Nader-Anhängern, die sich für Gore aussprechen. In einigen dieser Staaten bedroht Naders Popularität Gores schmalen Vorsprung.

Die Aussichten, dass Nader für einen Wahlsieg Bushs mitverantwortlich werden könnte, hat Demokraten und deren Anhängerschaft im weitesten Sinne in Rage gebracht: „Ihr glaubt, bei dieser Wahl handelt es sich um einen Jugendstreich? Ihr scheint zu glauben, dass es völlig in Ordnung sei, mit dem Leben und Schicksal anderer Leute bei einer epochalen Wahl zu spielen“, heißt es etwa in einem offenen Brief, der im Internet kursiert. Am Rande des liberalen Spektrums haben in den USA Selbstzerfleischung und Schuldzuweisung begonnen.

„Es geht dieses Jahr nicht um die Wahl zwischen Gore und Jesus oder auch nur zwischen Al Gore und Ralph Nader“, meint denn Historiker Todd Gitlin, „in Amerika kriegen wir keinen besseren Präsidenten als Gore“.

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