: Arbeit an der Eleganz
Alba-Trainer Emir Mutapcic setzt, wie schon zuvor beim TuS Lichterfelde, ganz auf die Nachwuchsarbeit. Mit Erfolg: Auch nach dem Abgang vieler Spieler ist Alba auf Siegeskurs
Interview MARKUS VÖLKER
taz: Wie groß ist der Schatten von Svetislav Pesic, Ihrem Vorgänger?
Emir Mutapcic: Es gibt keinen Schatten. Ich beschäftige mich mit meiner neuen Aufgabe. Ich bin der Chef. Natürlich weiß ich, wie schwer es ist, die Rolle von Pesic zu spielen. Ich habe immer drum gekämpft, Headcoach von Alba zu werden. Jetzt bin ich es, und jetzt ist alles in meiner Hand.
Gibt es noch Kontakt zu Pesic?
Ich spreche regelmäßig mit ihm. Er ist in Amerika. Wir sind schon seit 20 Jahren Freunde. Es ist so: Ich habe viel Erfahrung im Basketball, aber im Bereich Coaching nicht so viel. Gerade nach dem Fernsehvertrag mit Kirch geht es darum, Basketball zu verkaufen. Wir müssen die Chance nutzen.
Welche Erfahrungen konnten sie im bisherigen Verlauf der Basketballsaison dazugewinnen?
Wir haben alles gewonnen – in der Bundesliga. In der SuproLeague haben wir gegen zwei sehr gute Mannschaften verloren, aber auch ein Spiel gewonnen. Unser Problem war: Wir konnten nie komplett spielen, immer gab es Verletzte. Deswegen haben wir nun auch noch weitere Spieler mit Drazan Tomic und Milan Soukup nachverpflichtet.
Vor allem in der Schlussphase haben Sie die Spiele verloren, das war gerade die Stärke von Alba in der vergangenen Spielzeit.
Wir haben eine neue, junge Mannschaft. Das braucht Zeit. Ich will nicht sagen, der Block mit den jungen Leuten von Lichterfelde, das ist allein meine Mannschaft, aber ich habe sehr großen Respekt vor meinen Leuten. Wir haben einfach kein Glück gehabt bei den Niederlagen.
Trotzdem hat die Konkurrenz in der Bundesliga schon jetzt keine Chance mehr, oder?
Alle Teams haben einen Schritt nach vorne gemacht. Um wieder Meister zu werden, müssen wir sehr, sehr hart kämpfen.
Wie lässt sich die Arbeit bei Alba mit der bei Lichterfelde vergleichen?
Der Trainerberuf ist mit einem großen Risiko verbunden. Der Druck ist stärker bei Alba als bei Tusli. Jetzt ist der Erfolg, das Resultat wichtig. Bei Tusli war das anders. Da gings um die Umsetzung des Konzepts: Spieler aufbauen, fördern. Neu ist auch der Kontakt mit den Medien.
Neu?
Neu in dem Sinn nicht, aber ich muss mit einer anderen Wahrnehmung meiner Person leben, mit diesem Druck. Das ist der Unterschied.
Ihr Vorgänger Pesic hat vor Jahren verkündet, Alba wird einmal das geringste Budget haben, weil die Spieler nicht teuer verpflichtet werden müssen, sondern aus dem Nachwuchs kommen!
Na ja, wir zahlen denen schon was. Und das Programm kostet auch Geld. Davon profitiert nicht nur Alba, auch das Nationalteam oder der gesamte deutsche Basketball profitiert. Wir bauen Spieler nicht nur für uns – auch für andere. Andere Vereine haben nicht so eine Geduld.
Wie viel Zeit braucht das jetzige Team, um neben Rödl und Alexis Identifikationsfiguren zu formen?
Das ist ein Problem. Die Leute identifizieren sich mit einem Spieler, wo sie sich doch mit dem Verein identifizieren müssen. Sie müssen Glauben in das Potential von Garris, Papic und Thorwart haben. Die Leute können nicht von Anfang an sagen, schade, dass Geerd Hammink weg ist, Teoman Öztürk ist auch ein sauguter Spieler. Er hat zwar nicht NBA gespielt, kommt aber aus unserem Programm. Unsere Jungen haben Qualität. Ich glaube an sie.
Bei Alba feiert also der absolute Teamgeist fröhliche Urständ?
Die Fans sollen sich eher mit unseren Tusli-Abgängern identifizieren als mit einem Top-Spieler aus der Ukraine oder so. Die erste Sieben von Gießen hat komplett Basketball in der USA gelernt. Zum Beispiel.
Das Berliner Publikum war immer an einen charismatischen Playmaker gewöhnt und somit natürlich auch etwas verwöhnt.
Es ist ja wichtig, was die Fans sagen, auch, was die Zeitungen schreiben, Journalisten zeigen auch manchmal den Weg auf, den man gehen muss. Aber wichtig sind mir die Jungen. Außerdem muss man bedenken, was der Verein für Stars bezahlen kann. Das spielte auch eine große Rolle. In Griechenland bekommt Femerling eine halbe Million Dollar. Das können wir nicht zahlen. Das ist Objektivität. Nichts anderes.
Deswegen der Rückgriff auf die Tusli-Schule vor der Saison?
Ich bin stolz auf unsere Arbeit. Einen jungen Spieler in die Bundesliga zu bringen ist nicht einfach. Früher hat man gesagt: Talent ist 70 Prozent und Arbeit 30, heute ist das umgekehrt. Und fast jeder hat bei uns Abitur gemacht. Und wir haben vier Titel gewonnen im letzten Jahr. Wer hat das schon geschafft?
Trainieren Sie Alba anders als zuvor Pesic?
Generell habe ich nicht viel geändert. Es gibt nach wie vor das Konzept einer starken Defensive. Im Training mussten wir uns natürlich den Regeländerungen im Basketball anpassen. Das Spiel ist schneller geworden. Wir brauchen mehr Explosivkraft. Wir trainieren das. Auch im Bereich Kondition.
Im Taktikbereich hatte Alba vier lange und zwei kurze Spielsysteme, jetzt ist das umgekehrt. Wir mussten uns der 24-Sekunden-Regel anpassen. Viel Neues ist auf mich und die Mannschaft zugekommen.
Tatsächlich?
Na ja, im Grunde waren wir auch schon gut auf das schnellere Spiel vorbereitet, denn meine Auffassung vom Basketball ist: die Schulung von Individualtechnik und -taktik. Wir haben das bei Tusli schon gespielt. Das wird jetzt noch stärker gemacht. So können mentale Entscheidungen, auf die es nun noch stärker ankommt, besser und schneller gefällt werden.
Sicher denkt der Zuschauer nun manchmal: Was ist das für eine Hektik auf dem Feld? Aber wir arbeiten an der Eleganz. Das braucht Zeit.
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