: Disziplin „Kandidatenverschleißen“
Die Fachhochschule für Technik und Wirtschaft kann wieder keine Vizepräsidenten wählen – viele Kuratoriumsmitglieder sind einfach nicht zur Sitzung erschienen. An der Hochschule macht sich Frust breit. Die Abschaffung des Gremiums wird gefordert
von MATTHIAS SPITTMANN
Die Berliner Fachhochschule für Technik und Wirtschaft (FHTW) wird auf absehbare Zeit keinen neu gewählten Vizepräsidenten haben. Im Kuratorium der Hochschule fanden am Montagabend weder der Student Tobias Schulze noch der Mathematiker Joachim Siegert die notwendige Mehrheit, um im erweiterten Akademischen Senat zur endgültigen Wahl antreten zu dürfen. Nicht das erste Mal, dass eine solche Vorwahl scheitert. Und mittlerweile formiert sich Kritik an dem Gremium: „Die haben keine Ahnung oder sind nicht da“, so die Meinung des AStA.
Von den 9 Kuratoriumsmitgliedern, die jeweils bis zu drei Stellvertreter haben, waren auf der Sitzung nur 6 anwesend. Die Satzung der FHTW sieht vor, dass Präsidenten-Bewerber nur dann zur Wahl antreten dürfen, wenn sie die Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des Kuratoriums erhalten – es hätten also alle Anwesenden mit Ja stimmen müssen. Doch Professor Siegert erhielt nur 5 Ja-Stimmen, Student Schulze gar nur eine einzige. Und während Siegert eine weitere Bewerbung zumindest nicht gänzlich ausschließt, ist für Schulze die Sache abgeschlossen. Bereits im Juli hatte das Kuratorium Schulze mit 4 zu 3 Stimmen als Bewerber abgelehnt und nur die bisherige Vizepräsidentin Renate Gehrke zugelassen, die aber vom erweiterten Akademischen Senat nicht gewählt wurde.
„Das Kuratorium maßt sich an, Bewerber für das Präsidentenamt rauskicken zu dürfen“, beschwert sich Frank Lorenz, AStA-Referent für Hochschulgremien und Kuratoriumsmitglied, „dabei hat es nur ein Vorschlagsrecht.“ Aufgabe des mit vier Uni-Angehörigen, vier Wirtschaftsvertretern und dem Wissenschaftssenator besetzten Gremiums sei allenfalls, ungeeignete Kandidaten auszufiltern. Sowohl Schulze als auch Siegert seien aber an der FHTW anerkannt.
Kurator Lorenz fordert jetzt die Auflösung des Gremiums in seiner jetzigen Form oder zumindest deutliche Änderungen bei Zusammensetzung und Aufgabenstellung. „Die fachliche Kompetenz fehlt.“ Es sei der falsche Weg, Manager in solche Aufgaben zu berufen, die sich nicht viel mehr als einmal im Jahr mit der Hochschule beschäftigten. Die Entscheidungsmacht des Kuratoriums wurde durch die Experimentierklausel im Berliner Hochschulgesetz ermöglicht, das Ganze ist ein Modellversuch. Ob das Modell auf alle Hochschulen übertragen werden kann, erscheint nach den Erfahrungen an der FHTW aber doch fraglich.
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