: Qualifiziert wird nur, wer geht
Ein Mediziner aus Uganda darf in Berlin nicht zum Facharzt ausgebildet werden. Denn weil er nicht in sein Heimatland zurückkehren kann, so argumentiert die Gesundheitsverwaltung, wäre er ein Konkurrent für die hiesigen Ärzte
von MARINA MAI
Computerspezialisten aus dem Ausland werden derzeit händeringend gesucht. Ausländische Mediziner in Berlin bekommen nicht mal eine Qualifizierung. So verweigert die Gesundheitsverwaltung dem aus Uganda stammenden Arzt Richard K. die Ausbildung zum Facharzt. Ausgerechnet weil K. nicht in sein Heimatland zurückkehren kann, darf er nun hier kein Facharzt werden.
Richard K. hat in Moskau und Berlin Medizin studiert. Sein Jahr als „Arzt im Praktikum“ absolvierte er im Deutschen Herzzentrum. Die renommierte Einrichtung stellte ihm auch eine Referenz für seine weitere Ausbildung zum Facharzt aus.
Dafür benötigt er eine Genehmigung der Gesundheitsverwaltung. Doch im Ablehnungsbescheid der Verwaltung heißt es, es gebe in Berlin gut 1.000 arbeitslose Ärzte, zumeist Deutsche und EU-Ausländer, „denen nach der Systematik der Bundesärzteordnung die Behandlung der hiesigen Bevölkerung vorbehalten ist“. Richard K. hat eine Aufenthaltsbefugnis, weil ihm wegen der Menschenrechtssituation in Uganda eine Rückkehr nicht zugemutet werden kann. Dies lasse darauf schließen, so die Verwaltung weiter, dass er auf Dauer in der Bundesrepublik bleiben und hier als Arzt arbeiten wolle.
Sie beruft sich zudem auf eine Entschließung des Weltärztebundes von 1971, wonach Mediziner aus Entwicklungsländern erst nach einer mindestens dreijährigen ärztlichen Tätigkeit im Heimatland und auf Wunsch des dortigen Gesundheitsministeriums eine Fort- und Weiterbildung in einem Industrieland aufnehmen dürfen.
„Das ist sachlich falsch und politisch provinziell“, so der PDS-Wissenschaftspolitiker Wolfgang Girnus. „Wenn Herr K. nach Uganda zurückkehrt, wartet keine Arztpraxis, sondern möglicherweise politische Verfolgung auf ihn.“ Es sei inhuman und entwicklungspolitisch verheerend, wenn die Landesverwaltung „Gesetze über die Qualifizierung und Beschäftigung von ausländischen Akademikern je nach Arbeitsmarktsituation interpretiert“.
Auch der grüne Gesundheitspolitiker Bernd Köppl kann der Argumentation der Gesundheitsverwaltung nicht folgen. Die Entschließung des Weltärztebundes gelte nicht für Ärzte, die ihre Heimat aus politischen Gründen verlassen haben, und berühre auch nicht die Facharztausbildung, so Köppl.
Die Ablehnung K.s ist kein Einzelfall. PDS-Flüchtlingsberater Klaus-Jürgen Dahler wurde bereits von zwei russischen Ärzte in vergleichbaren Situationen um Hilfe gebeten. Die Verwaltung hatte ihnen die Aufnahme oder Fortsetzung ihrer Facharztausbildung mit ähnlichen Argumenten untersagt. Dahler: „Ich habe den Eindruck, die Verwaltung verweigert die Facharztausbildung immer dann, wenn ein Arzt in seiner Heimat politisch verfolgt wurde, weil sie meint, er kehrt nicht dorthin zurück.“
Das weist eine Sprecherin der Gesundheitsverwaltung zurück: „Wir entscheiden im Einzelfall und nicht nach Schema.“
Das Verwaltungsgericht hob beide Entscheidungen auf. Nach den Beschlüssen der Richter gehört eine Facharztausbildung zur beruflichen Ausbildung von Ärzten und ist Voraussetzung für eine berufliche Zukunft der Ärzte in Russland. Einer der Russen hat nach PDS-Angaben inzwischen die Ausbildung abgeschlossen und praktiziert heute in einem GUS-Staat.
Girnus glaubt, das Vorgehen der Verwaltung schade dem Wissenschaftsstandort Berlin: „Die Entscheidungen enthalten doch die Botschaft: Leute aus Nicht-EU-Staaten haben in akademischen Berufen nichts zu suchen“, so der PDS-Abgeordnete.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen