liebes tagebuch: Helmut Kohl im Original (1)
Bruder, Träne, Löwe
Kalenderspruch für Dienstag:
„Im Nachhinein finde ich selbst erstaunlich, dass ich trotz dieser Gegner Bundeskanzler geworden bin.“
Hans-Leyendecker-Faktor:
Mäßig. Kohl enthüllt lediglich, dass Biedenkopf schon 1976 mit Strauß „bei jeder sich bietenden Gelegenheit“ gegen ihn konspirierte. Kohl beharrt darauf, 1990 am Krankenbett des angeschossenen Schäuble echte Tränen vergossen zu haben. „Als ich die Station verließ, weinte ich wie ein kleines Kind.“ Schäubles Bruder hatte Kohl Gleichgültigkeit vorgeworfen.
Freundliche Worte I:
„Heiner Geißler wird seinen Hass mir gegenüber wohl mit ins Grab nehmen. Das steht ihm ins Gesicht geschrieben.“
Freundliche Worte II:
„Gleiches gilt für Kurt Biedenkopf, der es genießt, endlich von oben auf mich herabblicken zu können.“
Expedition ins Tierreich:
„Deutlich spüre ich das Abrücken vieler Zeitgenossen von mir nach dem Motto, der Löwe ist nicht nur gestrauchelt, sondern er wird bald verenden. Jetzt kann man ihm noch einen letzten Tritt verpassen, aber so nahe, dass man den Leichengeruch noch mitbekommt, will man ihm auf keinen Fall sein.“
Tränen des Tages:
„Ich stand zu ihm (Schäuble) in einer sehr emotionalen, ja brüderlichen Beziehung.“
„Ich habe Fehler gemacht, ohne es zu wollen, vor allem im psychologischen Bereich. Möglicherweise war aber auch meine schiere Existenz für Wolfgang Schäuble eine Belastung.“
Junge deutsche Literatur:
„In diesen Tagen denke ich voller Dankbarkeit an die, die mich auf ihren Schultern getragen haben. Viele von ihnen leben heute leider nicht mehr.“
Und wie geht’s Hannelore?
„Für meine Frau ist das Ganze ein Schock.“
Zitate: Helmut Kohl: „Mein Tagebuch“. Vorabdruck aus der „Welt“
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