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Der Wahn der Fleischesser

Hektisches Handeln: Behörden richten Hotline zu BSE-infiziertem Rindfleisch ein, Hygiene-Institut soll auch schnelltesten  ■ Von Sandra Wilsdorf

Die Leute wollen kein Fleisch mehr, sondern Informationen. Im „Alsterhaus“ war der Verkauf von Rindfleisch gestern praktisch „lahmgelegt“, 80 Prozent weniger Umsatz beim Rind. Die Schlachterei Fock aus Elmshorn klagt über Abbestellungen: Rinderbraten oder Roast Beef gelten derzeit als Stimmungskiller. Ganz ohne Fleisch scheint es dennoch nicht zu gehen. Die Umsätze bei Geflügel stiegen, die Steakhaus-Kette „Blockhouse“ freute sich trotz BSE über ein umsatzstarkes Wochendende. Offenbar reichte vielen die Information, hier argentinisches Rind auf dem Teller zu haben. Beim Bioland Hofladen Timmermann in Sülldorf klingelte gestern nur das Telefon häufiger als sonst, die Kasse nicht.

Dass viele Menschen Fragen haben, bekamen die Mitarbeiter der von der schleswig-holsteinischen Landesregierung eingerichteten Hotline (0431-160 58 70) zu spüren: 120 Anrufe pro Stunde. Auch die Hamburger Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales (BAGS) will etwas tun: Ab heute beantworten MitarbeiterInnen der Abteilung gesundheitlicher Verbraucherschutz und Veterinärwesen Fragen – wochentags von 9 bis 18, freitags bis 16 Uhr, 040-428 61 00.

Darüber hinaus bereitet sich das Hamburger Hygieneinstitut darauf vor, auch BSE-Schnelltests durchzuführen, „damit möglichst schnell zusätzliche Kapazitäten entstehen“, sagt Stefan Marks, Sprecher der BAGS. Eine Mitarbeiterin würde sich über unterschiedliche Verfahren informieren, in ein bis zwei Wochen soll es los gehen.

Von dem Hof, auf dem das erste in Deutschland geborene BSE-Rind entdeckt wurde, wurden ges-tern die übrigen 166 Rinder abtransportiert und geschlachtet. Sie werden auf BSE untersucht und zu Tiermehl verarbeitet, das anschließend verbrannt werden soll. Bauer Peter Lorenzen soll Entschädigungszahlen vom Landwirtschaftsministerium bekommen. Ein Nachbar sagte: „Eine solche Zucht, wie Peter sie hatte – eine Zucht, die seit Generationen in der Familie aufgebaut worden ist, lässt sich mit Geld nicht ersetzen.“ Gerade geplante Investitionen wolle er rückgängig machen. Parallel zu der Schlachtaktion liefen die Ermittlungen nach der Ursache der BSE-Erkrankung weiter. Unterlagen über die Tierfutterlieferanten des vier Jahre alten Rindes sollen Aufschluss geben.

Differenzen gab es in der Frage der Fütterung von Tiermehl. Die sollte eigentlich ab morgen verboten sein, nun wird das Verbot vermutlich frühestens Sonnabend in Kraft treten. In Schleswig-Holstein betonte Werner Lüpping von der Landwirtschaftskammer, dass das auf die Praxis keinen Einfluss habe, weil Rinder seit 1994 ohnehin nicht mehr mit Tiermehl gefüttert werden dürften und die Betriebe freiwillig auch bei Schweinen und Geflügel darauf seit Jahren verzichteten. Dem widersprach ein Sprecher der Fleischmehlfabrik in Jagel: „Es gibt einige Landwirte, die da nicht mitgemacht haben.“

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